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Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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unentschlossene Leitung des Departments ein bißchen zuviel. Also wurde das Experiment definitiv und ein für allemal als zu gefährlich zu den Akten gelegt, und nur wenige Tage später hatte BARF endgültig aufgehört zu existieren.
    Man fragt sich zwangsläufig, was mit dem Anführer dieser BARF Squad passiert wäre, wenn man das Experiment trotz und alledem fortgesetzt hätte. Manny Lopez hatte da draußen ganz zum Schluß ein extrem ungewöhnliches Erlebnis, das ihn zur Besinnung kommen ließ und außerdem unruhig machte, daß er nachts, wenn er nicht schlafen konnte, ununterbrochen darüber nachdachte, wie weit es durch das Experiment am Ende mit ihm gekommen war.
    Unmittelbar, nachdem das Gewehrfeuer abgeklungen war, hatte er die Verfolgung jenes flüchtenden Gangsters aufgenommen. Selbst der neu hinzugekommene Barfer – der Manny Lopez zwar verabscheute, aber die zahllosen Situationen noch nicht miterlebt hatte, in denen die anderen durch Mannys Verhalten in helle Panik versetzt worden waren – sagte vorwurfsvoll: »Man muß so was nicht tun. Niemand tut so was.«
    Manny war einem Gangster, der ein Gewehr trug, unmittelbar auf den Fersen. Einem Gangster, der im Schutze der Dunkelheit jederzeit stehenbleiben und seinen Verfolger auf allerkürzeste Distanz erschießen konnte. Trotzdem, Manny rannte mutterseelenallein weiter durch die Nacht, immer den Geräuschen der Laufschritte des Flüchtenden nach, die er zuweilen hörte. Und die Gefahr für Manny war sehr real, denn gleich am folgenden Tag hatten sie bei der gründlichen Nachsuche, an der auch die Detectives teilnahmen, eine 22er Automatic und Patronenhülsen gefunden.
    Während dieser Rennerei hatte Manny auf seine Art eine Erleuchtung, seine erste und letzte. Manny Lopez hatte urplötzlich das Gefühl: Ich bin unbesiegbar. Und das Staunen darüber hüllte ihn ein wie ein undurchdringlicher Mantel. Und er hatte das Gefühl: Das ist ja das Besondere an mir. Das Warum war dem jungen Sergeant unvermittelt klargeworden. Der Sinn seines Daseins hatte sich ihm enthüllt.
    Manny rannte schneller und schneller. Nur noch ganz wenige Meter, und er würde fliegen! Aber das war nicht das Wesentliche.
    Auch die Gefahr war nicht das Wesentliche. Frauen, Macht und Ruhm – alles nichts Wesentliches. Vor seinen Augen stand, greifbar nahe, etwas unendlich Verlockenderes. Eine bestimmte Vorstellung. Manny rannte auf sie zu wie unzählige andere vor ihm, Heilige und Verrückte. Vor ihm, im Schatten und kaum erkennbar, lag eine Linie – eine Grenze. Nur noch ein oder zwei Schritte, und er wäre drüben. Die verlockende Vorstellung war die: Ich bin unsterblich.
    Aber er sollte die dunkle Grenze nie überqueren. Er blieb stehen. So jäh, daß er um ein Haar aufs Gesicht gefallen wäre. Er drehte und wendete den Kopf wie ein gefangener Skorpion im Glas. Guckte und hörte sich um nach allen Seiten – aber wohin und auf was? Der Gangster interessierte ihn nicht mehr. Er sah nichts. Er hörte nichts außer seinem eigenen schnellen Atmen und dem hämmernden Herzschlag, und er dachte von jetzt auf gleich: Aber das ist doch heller Wahnsinn. Ich tick nicht mehr richtig – ich hab da total falsche Vorstellungen. Total falsche!
    Manny Lopez, der Mann, den jeder für unerschrocken bis zum letzten hielt, hatte doch noch eine Art Angst kennengelernt. Die Angst vor sich selbst. Seine Gedanken kreisten den ganzen Abend und die ganze Nacht und den ganzen nächsten Tag um folgendes: Ich bin unbesiegbar. Ich bin unsterblich. Aber es ist alles ganz falsch!
    Manny hatte andauernd erklärt, er würde bei der BARF Squad nur kündigen, wenn er irgendwann von all diesen Heckenschützen aus den eigenen Reihen und dem Neid die Schnauze voll und einfach keine Lust mehr hätte, seine Maßnahmen dauernd gegen Vorgesetzte und die eigenen Leute verteidigen zu müssen. Seiner Familie zuliebe hätte er nie gekündigt, obgleich er sehr an ihr hing. Und aus persönlichen Sicherheitserwägungen heraus bestimmt nicht. Nun aber fragte sich Manny Lopez, was eigentlich mit seinem Kopf passiert war.
    Ken Kelly hatte immer erklärt: »Natürlich hatten wir Angst vor ihm. Vor Verrückten hat wohl jeder Angst, oder? Vor allem hat wohl jeder ne ziemliche Angst vor unberechenbaren glücklichen Verrückten.«
    Dick Snider hatte immer behauptet: »Außer Manny Lopez wäre keiner so verrückt gewesen, diesen Job zu machen.«
    Die endgültig letzte Nacht in den Canyons war zwar bei weitem die schrecklichste von

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