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Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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noch mit dem Verteilen von Traktätchen, Bibellesen und einer selbsterniedrigenden fundamentalistischen Lehre beschäftigte.
    »Vielleicht hätt ich's anfangs noch stoppen können«, sagte er seinen Kollegen in den folgenden Monaten immer wieder. Immer, wenn er sternhagelvoll war.
    Manchmal fragte er sich, ob er überhaupt ein mexikanisches Mädchen hätte heiraten sollen. Ob's auch dann so gekommen wäre? Sie war noch keine Dreißig, nach vierzehn Ehejahren. Sie war sehr schlank und sah zumindest in seinen Augen immer noch so aus wie das Kind, das er geheiratet hatte. Tatsächlich war Tony Puente von Anfang an verrückt nach ihr gewesen und blieb es selbst dann noch, als ihr totales Aufgehen in der Religion nicht bloß ihr Leben beherrschte, sondern auch seins. Als ihr Glaube zum einzigen und bedeutsamsten Inhalt auch seines Lebens wurde.
    Sie war nicht mehr wach. Es war so und so egal. Er war betrunken. Aber sie sah so jung aus. Er ging gar nicht erst ins Bett. Er wurde irgendwann bewußtlos. Am nächsten Morgen konnte er sich nicht mal mehr erinnern, ob und wie er nach Hause gefahren war. Er mußte länger nach seiner Brille suchen.
    In der letzten Oktoberwoche 1976 erschienen über die eigentlich eher routinemäßigen Festnahmen, die die neue Task Force zur Bekämpfung der Grenzkriminalität verbuchen konnte, nicht weniger als sieben Zeitungsberichte. Die Frauen und die Cops selbst durchstöberten die Warenhäuser bereits nach geeigneten Erinnerungsalben.
    Es war allgemein bekannt, daß Manny Lopez mit Bill Robinson befreundet war, dem Leiter der Presseabteilung des Police Departments von San Diego. Manny rief Robinson jetzt an, und so erhielten die Zeitungen auch eine gute Story über ihre erste echte Gangsterfestnahme.
    Eddie Cervantes, dessen etwas schräge Augen an diesem Morgen durch übermäßiges Saufen und einen Alptraum reichlich umflort waren, konnte es kaum abwarten, die Zeitung in die Finger zu kriegen. Er überlegte schon, ob er nicht ein in Leder gebundenes Erinnerungsalbum kaufen sollte. Er schlug die Zeitung auf. Da stand eine irrsinnige Story über die Attacke von Manny Lopez auf einen Gangster, der ihn mit der Gürtelschnalle angegriffen hatte. Und wie Manny Lopez und seine Leute die Verbrecher, die, wie sich herausstellte, heroinsüchtig waren, entwaffnet und überwältigt hatten. Von dem Messer, das Eddie Cervantes an der Kehle gesessen hatte, war gar nicht die Rede. Weder von Eddies Kehle noch von seinen übrigen Körperteilen war die Rede.
    Da umflorten sich seine traurigen Augen noch mehr, und er kam zu der Überzeugung, daß ein Erinnerungsalbum mit Plastikeinband völlig ausreichen würde.
    Im übrigen fragte er sich sogar, ob Manny Lopez ihm seinen Ruhm nicht gestohlen hatte.

 

    5. KAPITEL
    Sabes que?
    I m November ereignete sich ein schwerer Zwischenfall, der die Spielregeln, nach denen in den folgenden Monaten in den Canyons gekämpft wurde, recht verhängnisvoll beeinflussen sollte. Schon zum zweitenmal in ihrer bislang kurzen Geschichte wurde die Truppe in ein gefährliches mexikanisches Patt verwickelt.
    Manny Lopez war in dieser denkwürdigen Nacht nicht mit dem Ensemble unterwegs. Er führte ein Spezialteam, das aus je einem Beamten vom Zoll und der Border Patrol sowie zwei seiner Cops aus San Diego bestand. Von einem früher am Abend festgenommenen Grenzgänger, der sie für echte Pollos gehalten hatte, waren sie vor zwei Polizisten aus Tijuana gewarnt worden, die in der Nähe der Eisenbahn auf mexikanischem Gebiet angeblich Grenzgänger ausraubten.
    Derartige Berichte über schurkische Cops aus Tijuana häuften sich in letzter Zeit. Juristisch gesehen traten diese Polizisten nicht als Räuber, sondern als Erpresser auf. Es war anscheinend nicht so, daß ein mexikanischer Cop jemandem nach Gangsterart einfach eine 45er Automatic ins Gesicht stieß, um ihm dann die Taschen zu leeren. Sie vermuteten eher, daß die mexikanischen Cops einem Pollo mit Hilfe ihrer Autorität zu verstehen gaben, er könne sich sehr rasch in seinem eigenen Staate wiederfinden, wenn er ihnen ihren miserabel bezahlten Job nicht ein bißchen aufbesserte. Abgesehen davon gab's ja auch unter den amerikanischen Cops das eine oder andere faule Ei. Prinzipiell jedenfalls mochte die mexikanische Polizei der Ansicht sein, einen Schutzzoll kassieren zu dürfen, wenn sie ihre Augen vor einem Tatbestand schloß, der von ihrer Regierung nicht gerade als allerschwerstes Verbrechen verfolgt wurde: der Auswanderung

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