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Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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ihrer sowieso dreistesten und lästigsten Bürger.
    Jener Grenzgänger hatte ihnen im übrigen geraten, sich vor allem vor einem auf mexikanischer Seite operierenden Kombiwagen in acht zu nehmen. Sie befanden sich gegen elf Uhr abends etwa zweihundert Meter von der Eisenbahn entfernt und gingen in östlicher Richtung. Als sie sich der Bahnlinie bis auf ungefähr hundert Meter genähert hatten, sahen sie ein Fahrzeug, möglicherweise einen Kombi- oder Lieferwagen, der mit ausgeschalteten Scheinwerfern im Schrittempo neben den Bahngleisen herkroch.
    Sie hörten, wie dicht südlich des Grenzzauns eine Wagentür zugeschlagen wurde. Sie gingen weiter und sahen zwei schattenhafte Gestalten, die nach Westen rannten, als ob sie ihnen den Weg abschneiden wollten. Sie blieben dann wie angewurzelt stehen und sahen, wie die beiden Gestalten kurz oberhalb der eisernen Landeplattform der Border Patrol durch ein Loch im Zaun kletterten. Die vorderste Gestalt trug die schwarze Uniform eines Hilfspolizisten aus Tijuana.
    Er stürmte auf sie zu und brüllte sie an, sie sollten herkommen: »Vengan aca!«
    Er brachte einen langläufigen 38er Revolver zum Vorschein, den er auf das Gesicht von Manny Lopez richtete. Und so guckte der Sergeant zum zweitenmal in die Mündung einer Kanone, und zum zweitenmal traf er eine Entscheidung, die ein anderer vermutlich kaum getroffen hätte: er sagte zunächst nicht, wer sie waren. Ebenso wie bei der Begegnung mit den Cops aus Tijuana in der Nähe des Flughafens sah er direkt in die Mündung der Waffe und nahm es in Kauf, zufällig oder absichtlich erschossen zu werden.
    Er ließ die Waffe keine Sekunde aus den Augen und riß erst seinen eigenen Revolver und die Dienstmarke heraus, bevor er sagte: »Policias!«
    Das zweite mexikanische Patt. Mannys Leute folgten seinem Beispiel. Der Mexikaner mit der schwarzen Uniform zog den Abzug nicht durch, weder zufällig noch absichtlich. Er starrte bloß auf die auf ihn gerichteten Handfeuerwaffen und Gewehre. Er hörte, wie irgend jemand sagte, er werde auf der Stelle umgelegt, wenn er seine Kanone nicht sofort fallen lasse. Im Mondschein trat er zwei Schritte zurück. Seine Kanone war immer noch auf Manny Lopez gerichtet. Dann aber ließ er sie sinken.
    Der zweite Mann kratzte die Kurve und rannte zum Zaun. Anschließend gab es in der Finsternis ein ziemliches Durcheinander, als die Cops in Fächerform und von Deckung zu Deckung ausschwärmten, weil sie eine Heckenschützenattacke befürchteten, am Ende aber das Zuschlagen einer Autotür hörten und gerade noch rechtzeitig ankamen, um einen Jeep mit weißen Ziffern an der Seite zu sehen. Der geflohene zweite Mann jagte den Jeep den Hügel hoch, mit ausgeschalteten Scheinwerfern, wie ein Stuntman beim Film. Im Rückwärtsgang. In Sekundenschnelle war er verschwunden.
    Manny Lopez riß dem Hilfspolizisten die Waffe aus der Hand und warf ihn zu Boden. Manny Lopez war ziemlich sauer, als er dem protestierenden Mexikaner Handfesseln anlegte, und so beschimpfte er ihn auf hunderterlei Arten als diebisches, verbrecherisches Schwein von Cop.
    Der Mann war dreiundzwanzig und kein Cop. In Tijuana kann man sich beim städtischen Fiskus gesonderte Patrouillen durch Hilfsbeamte und dadurch zusätzliche Sicherheit kaufen. Dabei handelt es sich zwar nicht um private Rent-a-Cop-Unternehmen, wie man sie nördlich der Grenze findet. Aber in den Augen der Stadtpolizei sind diese Hilfsbeamten dennoch dasselbe wie auf amerikanischer Seite die privat angestellten Sicherheitsbeamten für die Polizei von San Diego – uniformierte Bürger, aber sonst gar nichts.
    Der mexikanische Hilfsbeamte hatte 60 amerikanische Dollar und etwas 630 Pesos bei sich. Vielleicht hatte er in den Canyons Grenzgänger ausgeraubt. Er behauptete, er habe Manny Lopez und seine Leute nicht für Grenzgänger, sondern für Räuber an Grenzgängern gehalten, weil sie an der Grenze entlangmarschiert seien und damit doch ein ziemlich seltsames Verhalten an den Tag gelegt hätten. Er behauptete im übrigen, er habe zwar sicher nicht den Zaun überqueren sollen, sei aber gewiß kein Gangster.
    Der Hilfsbeamte wurde wegen des Verdachts auf räuberische Verbrechen festgenommen, aber alle Beschuldigungen wurden vom District Attorney fallengelassen, weil man ihm nichts nachweisen konnte. Der Mexikaner war lediglich bewaffnet über die Grenze gekommen. Er hatte nur gesagt: »Kommt mal her!« Nicht mehr und nicht weniger.
    »Wenn ich stehengeblieben wär, hätte er

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