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Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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Mädchen, die bereits die USA erreicht hatten. Drei Polizisten aus Tijuana kletterten dann über den Stacheldrahtzaun und betraten amerikanischen Boden. Einer der Cops blieb mit seinem Uniformstiefel im Draht hängen und fluchte.
    Ein Polizist aus Tijuana befahl: »Vengan!«, aber Manny Lopez und seine drei Leute gingen weiter.
    Daraufhin zogen die drei Cops aus Tijuana wortlos die Waffen, luden durch und sagten: »Vengan, cabrones!«
    Und diesmal gaben die frischgebackenen Pollos Antwort. Sie sagten: »Heilige Scheiße!«
    »Hey! Hey! Hey!«
    »Oh, Scheiße!«
    Und während sich die Tijuana-Cops noch wunderten, daß diese verrückten Pollos Englisch quasselten, zeigte ihnen Manny Lopez seine Dienstmarke und die Kanone. Dann zogen seine drei Untergebenen die Kanonen.
    Am ersten Abend in den Canyons, in ihren ersten Stunden in den Canyons, richteten also sieben Cops ihre Waffen nicht auf Gangster, sondern aufeinander.
    »Im Grunde war's ein klassisches mexikanisches Patt«, sagte Eddie Cervantes später.
    Im Moment allerdings sah das noch anders aus. Keinem stand momentan der Sinn danach, Witze zu machen. Sie starrten allesamt in großkalibrige Schußwaffenläufe und wurden immer nervöser.
    »Policias!« warnte Manny Lopez. »Somos policias – wir sind Polizisten!«
    »Ooooooh! Policias! Na schön, wir dachten, ihr seid banditos. Wie Pollos habt ihr euch ja nicht benommen! Wir wollten euch wieder auf unsere Seite rüberholen«, behaupteten die mexikanischen Cops.
    Aber Manny Lopez kaufte ihnen nichts davon ab. Es hatte zu viele Berichte über Grenzgänger gegeben, die von Polizeibeamten aus Tijuana ausgeraubt worden waren.
    »Weshalb kontrolliert ihr die Gangster nicht bei euch drüben? Von da kommen sie«, sagte er auf spanisch. »Kommt, zeigt mal eure Ausweise.«
    Sie gehorchten zögernd, weil sie sich auf US-Boden befanden. Eddie Cervantes nahm das kleine Funkgerät aus der »Pollotasche«, einem Plastikbeutel, und gab den Namen der Tijuana-Cops durch.
    Mit vielen Entschuldigungen versuchten die Cops aus Tijuana Manny Lopez dann davon zu überzeugen, daß sie wirklich ebenfalls hinter Gangstern her waren.
    »Räuber und Gendarm«, sagte Manny Lopez angeekelt auf englisch. »Diese Arschlöcher sind Cops und Gangster! Hau ab, du Heini«, sagte er letztlich zu dem ranghöchsten Polizisten aus Tijuana, der das sehr gut verstand.
    »Was soll aus dem Scheißjob noch werden?« fragte Tony Puente, als sie weitergingen. Er dachte darüber nach, daß Manny trotz der entsicherten Waffe der anderen seinerseits gezogen hatte. Er überlegte, ob er die Brille besser nicht auch dann tragen sollte, wenn sie beschlagen war. Dann wurde es so finster, daß ihm die Brille so und so nicht mehr helfen konnte.
    Sobald die Sonne unterging, formierten sich die ungeordneten Massen zum nächtlichen Ritual der Grenzüberquerung. Einer der Grenzgänger war ein fünfundzwanzigjähriger campesino, der Lino Ariza hieß. Lino Ariza hatte natürlich schon eine Riesenangst, als sie losmarschieren mußten, und er wurde noch viel ängstlicher, als der Coyote, der Führer auf der mexikanischen Seite, ihm und seiner Gruppe kurz vor der Grenzlinie befahl, so lange allein zu bleiben, bis ihr eigentlicher Grenzführer sie holen würde. Lino kam aus Durango, ebenso wie einer seiner Gefährten, Luis Rodriguez. Ein dritter Mann, der sie mit dem Coyoten bekannt gemacht hatte, stammte aus Jalisco. Außerdem bestand diese Grenzgängergruppe aus drei Frauen, die Lino nicht kannte.
    Lino hatte eine derartige Angst davor, hier – gerade fünfundsiebzig Meter vor der Grenze, aber bereits in der Nähe der Lichter und Geräusche von Colonia Libertad – zu warten, daß er sich mehrfach erleichtern und den Weg verlassen mußte, um mal eben hinter den Büschen zu verschwinden. Nach dieser Reise, die er gezwungenermaßen schon im voraus bezahlen mußte, würde Lino bloß noch vierundzwanzig amerikanische Dollar und als Wertvollstes eine Armbanduhr für fünfzehn Dollar und einen ledernen Cowboygürtel mit einer großen Metallschnalle besitzen. Dazu bloß noch die paar Klamotten, die er auf dem Rücken trug. Damit war Lino Ariza an diesem Abend jedoch noch bei weitem der reichste in der Gruppe. Und irgendwie schienen die Leute an der Grenze, all die Coyoten, Grenzführer und Gangster, das zu riechen. Jedenfalls malte Lino es sich so aus.
    Um zehn Uhr abends standen sie am Rand des Deadman's Canyons, mit dem Rücken zu den flackernden Lichtern von Colonia Libertad.

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