Die San-Diego-Mission
sein.
Und ungeachtet des eisigen Windes begann die Mannschaft zu schwitzen. Mit oder ohne Brille, Tony Puente gewann den Eindruck, daß sämtliche Leute irgendwas in der Hand hatten. Und obgleich noch niemand Geld verlangt, eine Waffe hervorgeholt oder sie mit Gewalt bedroht und damit die juristische Voraussetzung für versuchten Raub erfüllt hatte, überlegte sich Manny Lopez, der sich ebenso wie die anderen äußerst ungemütlich fühlte, daß nach einer derartigen zangenförmigen Einkreisung der Zeitpunkt zur Festnahme der Gauner doch wohl gekommen sei.
Als die fünf Männer, die sie umringten, auf dem vom Mondlicht überfluteten Weg anfingen, mit sehr leiser Stimme miteinander zu reden, sagte Manny Lopez: »Sabes que?« – keinen Augenblick zu früh, was seine Truppe betraf. Zwei seiner Leute sahen, daß einer der »Pollos«, die sich ihnen angeschlossen hatten, eine Skimaske trug. Und dabei waren sie noch zwei Stunden und zwei Monate vom ersten Pulverschnee und vom nächsten Sessellift entfernt.
»Barf!« schrie Manny.
Vier kurzläufige Revolver sowie ein Gewehr richteten sich auf die Gangster, als Manny brüllte: »Policias!«
Jeder Cop kümmerte sich um den Räuber, der ihm am nächsten stand. Der Mann, der von Eddie eine Zigarette gekriegt hatte, rannte davon. Eddie Cervantes, der kleinste und schnellste Barfer, rannte hinter ihm her. Sie waren nur ein paar Meter von der Grenze entfernt. Der Räuber war zweiundzwanzig und ganz schön schnell. Eddie Cervantes erwischte ihn direkt an der Grenzlinie, und der junge Mann wollte in seine Tasche greifen, in der ein Messer mit Knochengriff steckte. Eddie Cervantes kreischte: »Barf! Barf! Barf!«, knallte seinen Revolver auf den Schädel des Räubers und hörte die lauteste Explosion seines Lebens.
Der Räuber schrie dem kleinen Barfer, der völlig geschockt war, direkt ins Gesicht. Seine Augen schienen zu brechen, und er sagte: »Ayeeee! Du hast mich gekillt!« Und er fiel auf die Erde und war still.
Als die zweite Ensemblebesetzung sich stolpernd, fluchend und immer wieder der Länge nach hinschlagend einen Weg durch die Mesquitesträucher, Felsen und Kakteen gebahnt hatte und die Stelle erreichte, wo der Schuß gefallen war, sah Renee Camacho, wie Eddie Cervantes vor dem leblosen Gangster stand und ihn fassungslos anstarrte. Eddie Cervantes sagte ununterbrochen: »Oh, Scheiße! Oh, verdammt! Ich wollt ihn doch überhaupt nicht umlegen! Was mach ich jetzt bloß? Was mach ich jetzt bloß?«
In den traurigen, leicht schrägen Augen von Eddie Cervantes stand die helle Panik. Klar, daß dem jungen Cop eine Menge Dinge durch den Kopf gingen. Juristische Einzelheiten zum Beispiel. Die Räuber hatten effektiv noch kein Geld verlangt. Sie hatten auch keinen offenkundigen Angriff unternommen. War es also nur Betrug, ein Vergehen? Dann hätte er nicht mal legal das Recht gehabt, ihn umzulegen – vom moralischen Recht gar nicht zu reden!
»Was mach ich jetzt nur?« schrie der kleinste Barfer. »Muß ich wegen Totschlags ins Gefängnis?«
Die scheinbare Leiche hieß Jose Gutierrez. Die scheinbare Leiche stöhnte. Die scheinbare Leiche machte Anstalten, sich aufzurichten.
»Er ist gar nicht tot! Du bist gar nicht tot!« schrie Eddie Cervantes den Gangster an.
Aber der Strolch glaubte steif und fest, daß er umgebracht worden war. Er war seiner Sache sicherer als Eddie Cervantes. So sicher wie das Amen in der Kirche hatte er gewaltige Kopfschmerzen und eine Beule, die mindestens so groß war wie ein Tequilaglas.
Nachdem er kapiert hatte, daß er nur niedergeschlagen worden war und genaugenommen noch lebte, sagte er zu Eddie Cervantes: »Ich ergeb mich. Ich ergeb mich!«
Sie nahmen die Gangster wegen Betrugs fest, weil ihnen die nötigen Raubvoraussetzungen fehlten. Sie schrieben einen Bericht, in dem sie das unfreiwillige Abfeuern des vom Department ausgegebenen kurzläufigen Smith & Wesson-Revolvers großzügig übergingen. Sie gaben sich nicht die allergeringste Mühe, eine leichte Beschädigung des Revolvers im Detail zu erklären. Einiges sprach dafür, daß Eddie Cervantes den Sicherungsflügel mit dem Abzug verwechselt hatte, als er die Kanone als Schlagwerkzeug benutzte, und daß die Waffe dadurch losgegangen war.
Niemand war von dem Geschoß getroffen worden, und nachdem der Gangster sowieso froh war, daß er noch lebte, verzichtete er endgültig auf eine Beschwerde, als sie nur wegen eines so geringfügigen Vergehens wie Betrug angeklagt wurden.
Weitere Kostenlose Bücher