Die San-Diego-Mission
vorsichtig sein«, informierte sie die Cops. »Der schwierigste Teil der Reise nach Los Angeles ist die Kontrolle bei San Clemente.«
Manny Lopez, Tony Puente und Eddie Cervantes nickten artig zu dieser Enthüllung und noch artiger bei der nächsten Story, die sie erzählte: »Die migra und die Polizei in San Diego liegen hier dauernd auf der Lauer, und sie verprügeln die Gefangenen sogar!«
Im übrigen teilte sie den Cops mit, daß der Eigentümer des Hauses, vor dem sie warteten, durch Schmuggeln reich geworden sei und ein Restaurant gekauft habe, dann allerdings von seinem Glück im Stich gelassen worden sei. Ein mieser Gastronom, ein guter Schmuggler.
Sobald die Mutter des Mädchens zurückkam, machten sie den Handel perfekt. Normalerweise nahm sie 200 bis 250 Dollar pro Kopf. Aus einer Feiertagslaune heraus bot sie ihnen die Fahrt nach Los Angeles für 150 Dollar pro Person an und war gleich darauf sehr erstaunt, als ihr Manny Lopez die Dienstmarke eines Sergeants der San-Diego-Polizei zeigte. Olivia trat in die Fußstapfen zweier Generationen, als zugleich auch sie festgenommen wurde.
Grundsätzlich war die Festnahme solcher Menschenschmuggler zwar gut für die Statistik, aber kaum einen eigenen Bericht wert. Hier allerdings wurde eine Ausnahme gemacht, wegen Olivia und ihrer Geschichte. Zwei Tage vor Weihnachten waren die Cops ein bißchen sentimental. Und möglicherweise hatte es ihnen auch ihr Äußeres angetan. Nachdem bereits alles gelaufen war, hatte sie immer noch ihr hübsches Lächeln und Augen wie ein Eselhase. Der hübsche »Artful Dodger« war außerdem kaum größer als ein solcher Hase. Die kleine Schmugglerin war ganze zehn Jahre alt.
Einen Mann der BARF Squad wenigstens stimmte gerade diese Festnahme leicht depressiv, und er sah das so: »Ich war ziemlich fertig. Ich sah mir in dem Jahr im Fernsehen Oliver an, und ganz plötzlich heulte ich. Ich wußte erst gar nicht, was mit mir los war, bis mir die kleine Schmugglerin einfiel, die Manny und seine Jungs angeschleppt hatten. Ich schaltete von Oliver auf irgendein anderes Programm um, so fertig war ich. Ich fragte mich andauernd, was das für ein Job war. Muß da nicht was faul sein an dieser Grenze? Was ist da eigentlich los mit diesem Grenzgängergeschäft? Hat das Ganze überhaupt irgendeinen Sinn? Ist das bloß irgendeine verrückte Komödie? Aber warum konnte ich dann nicht darüber lachen?«
Im Monat Dezember erschienen in den Zeitungen lediglich sechs völlig unsensationelle Geschichten über BARF. Sie standen nur noch zwei Wochen vor dem Ablauf ihres Moratoriums. Sie sahen der sofortigen Auflösung ihrer Truppe ins Auge, und immerhin einer von ihnen hatte schon gemeint, er hätte nichts dagegen, wieder normale Polizeiarbeit zu machen. Die Beamten der Border Patrol und des Zolls waren sowieso schon weg. Dick Snider brauchte irgendeine wirklich sensationelle Gangsterfestnahme. Oder ein Public-Relations-Wunder. Irgendwas, um das öffentliche Interesse wieder anzufachen. Er war nach wie vor felsenfest von seinem Experiment überzeugt. Er wußte, daß er in der Lage sein würde, den Gangstern das Handwerk zu legen und unzähligen Leuten viel Elend oder gar den Tod zu ersparen, wenn er nur genug Zeit hätte.
Und er bekam, was er sich wünschte: Ein verdammtes Wunder, das sich ausschlachten ließ, ausgerechnet zu Weihnachten. Ein Mensch allerdings würde sein Leben lang an ein richtiges Wunder glauben.
Es war zwanzig Minuten vor zwölf, in der Nacht vom 27. Dezember. Manny Lopez sowie seine Ensemblekollegen Tony Puente und Eddie Cervantes froren jämmerlich, schlugen sich die Arme um den Körper und stießen weißen Dampf aus, als sie auf amerikanischem Territorium parallel zum Tijuana Highway entlangmarschierten, der in dieser Gegend durch den kümmerlichsten, löcherigsten Zaun, den man sich vorstellen kann, von den USA getrennt wird. Das Wort Zaun war hier effektiv eine Beleidigung. Sie waren sich, verdammt noch mal, total einig darüber, daß sich ein Land, das imstande war, Menschen auf den Mond zu transportieren, gar keinen Zaun eher leisten konnte als diesen Zaun.
Es war kalt; es war trostlos; es war langweilig. Im Grunde gab's dagegen nur eine einzige vernünftige Maßnahme. Pack dir rechtzeitig einen guten Vorrat an Bier und Scotch ein. Pack echt alles ein, was du findest. Dick Snider war bei der ganzen Polizei wirklich der einzige Lieutenant, den sie allesamt immer geschätzt hatten, aber mal ehrlich, davon abgesehen, was
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