Die San-Diego-Mission
fertig geworden waren. Und wenn sie noch einen Chivas Regal hätten – doch, ja, er würde ganz gern noch einen nehmen.
Manny wußte, wie man sich verkaufen mußte: einen Chivas in einer, eine Santa Fe Corona Grande in der anderen Hand, dabei aufgetakelt wie John Travolta in Saturday Night Fever. Dieser Polizeisergeant, noch keine dreißig Jahre alt, war im lokalen Bereich eine Sensation. Und wenn er dann wieder in der Station war und allmählich nüchtern wurde, ergötzte er seine ramponierte, kaputte, von Flöhen zerbissene, von Kakteen zerstochene Mannschaft bestimmt fünfzehn Minuten lang mit Geschichten über den Scotch, den er sich bei dem Imbiß regelrecht in seine goldene Kehle geschüttet hatte. Und wie sehr er bei der Gelegenheit vor allem die Damenwelt begeistert hatte. Und die Barfer wurden ein bißchen neidisch, aber sie bewunderten ihn. Ein paar jüngere wie Joe Castillo und Carlos Chacon begannen ihn effektiv zu verehren.
Der Polizeichef und andere Oberbeamte des Departments mußten letztlich zugeben, daß dieser aus Mexiko stammende amerikanische Sergeant entgegen ihren Befürchtungen das Image des Departments nicht im geringsten ankratzte. Eher im Gegenteil: bei dem Experiment konnte vielleicht sogar noch was halbwegs Anständiges rauskommen.
Kurz vor Weihnachten 1976 lief ihnen dann eine Grenzversion des gerissenen kindlichen Ganoven, des »Artful Dodger« aus Oliver Twist, über den Weg. Als das Ensemble – Manny Lopez, Tony Puente, Eddie Cervantes – abends mal nicht in den Canyons, sondern auf den Straßen von San Ysidro unterwegs war, bremste neben ihnen ein acht Jahre alter gelber Ford. Er hielt an, und nachdem seine Insassen sich die Pollos angesehen hatten, fuhr er weiter, wendete, parkte in einer Seitenstraße und wartete.
Die Mexikanerin, die den Wagen fuhr, guckte sich vor allem Manny Lopez an, der sich wegen der Kälte eine Wollmütze über den bereits recht kahlen Schädel gestülpt hatte, seine Grenzgängerkampfjacke und zwei abgetragene Hosen übereinander trug und über dessen strammen Knöcheln sich Schuhe mit profillosen Keilsohlen aus Plastik spannten.
Sie erkundigte sich auf spanisch: »Wissen Sie, wo die Enero Street ist?«
»Oh, tut mir leid«, erwiderte Manny Lopez. »Wir sind nicht von hier.«
Sie lächelte und sagte: »Woher kommt ihr denn?«
Er zeigte nach Süden und sagte: »Wir sind gerade erst hier im Norden angekommen.«
»Wißt ihr schon, wie ihr weiterkommt?« fragte sie.
»Nein, keine Ahnung«, antwortete Manny Lopez.
»Meine Mutter kann euch nach Los Angeles bringen«, bot die Begleiterin der Fahrerin an.
»Steigt ein«, sagte die Frau am Steuer rasch. »Hier gibt's ne Menge migra und Polizei.«
Die drei fröstelnden Cops stiegen in den Ford, und während sie eine Weile durch die Wohnstraßen von San Ysidro fuhr, erzählte sie, daß sie im Moment auf zwei Frauen und einen Mann aus El Salvador warte, die sie zuvor von Tijuana an die Grenze am Flughafen von Tijuana gebracht habe, von wo aus sie von einem Führer durch die Canyons geschleust werden sollten. Die Frau besaß einen falschen Paß, mit dem sie halbwegs legal die Grenze überquert hatte.
Sie schafften es indessen nicht, die Salvadorianer zu finden. Statt dessen fuhren sie zu einem Haus in San Ysidro, wo die Fahrerin einige Vorbereitungen treffen mußte, um sie nach Los Angeles bringen zu können. Sie ging in das reichlich bescheidene Haus und ließ ihre Tochter Olivia mit den drei neuen Fahrgästen im Wagen zurück. Olivia war reichlich redselig und lebhaft. Als Manny Lopez wissen wollte, ob sie denn keine Angst habe, mit drei fremden Männern allein zu sein, lächelte sie auf eine recht nette Art. Anscheinend hatte sie keine Angst.
Sie erzählte ihnen ihre Lebensgeschichte. Sie schmuggelten seit gut fünf Jahren Grenzgänger nach drüben. Sie war bereits öfter mit ihrer Mutter in die Gegend von Tijuana gefahren, um dort Grenzgänger aufzugabeln. Olivia schmuggelte Menschen in der dritten Generation, und ihr Vater und ihre Großmutter waren immer noch dabei. Ihr Vater hielt sich momentan in Texas auf, nachdem er nach einer Verurteilung wegen Schmuggelns bedingt entlassen worden war. Ihre Großmutter, die man mit zwei Dutzend Grenzgängern erwischt hatte, war ebenfalls auf Bewährung frei. Und leider war auch ihre Mutter, die sich momentan in diesem Haus aufhielt und bei anderen Schmugglern Geld eintauschte, vorbelastet, weil sie bei jener Aktion das Auto gefahren hatte.
»Mama muß sehr
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