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Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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in dem Haus. Es war wirklich schrecklich heiß. Dann sahen sie, daß eine andere Schlafzimmertür nur angelehnt war. Dabei handelte es sich um ein anderes Schlafzimmer. Ernie gefiel es gar nicht, daß die Tür zu diesem anderen Schlafzimmer nur angelehnt war. Ebensowenig dem Detective, und so ging er hin, um sie weit aufzustoßen, bloß um sich ein bißchen sicherer zu fühlen, und dann … WHAM! knallte ihm die Tür ins Gesicht.
    Nach Ernie Salgados Ansicht passierten mehrere Dinge sehr schnell nacheinander. Der Detective sprang neben die Tür und schrie dem Jungen zu, er solle rauskommen. Ernie wartete mit seinem schußbereiten Schrotgewehr vor der Tür. Der Detective stieß die Tür auf, und Ernie stand diesem Knaben Auge in Auge gegenüber.
    Es war der Alptraum aller Cops. Der Knabe stand auf seinem Bett. Er sah auf den in der Tür stehenden Ernie herunter. Der Junge besaß ein doppelläufiges 410er Schrotgewehr und zielte auf das Gesicht des Cops.
    Ernie Salgado hörte nur eine einzige Detonation. Eine lange Detonation. Die längste Detonation, die er, abgesehen von Vietnam, je gehört hatte.
    Aber es war nicht nur eine lange Detonation. Es waren drei rasch aufeinander folgende Detonationen. Der Junge hatte beide Läufe abgefeuert. Eine Ladung zerfetzte den Türrahmen direkt über dem Kopf des großen Cops. Die andere riß ein Stück aus der Wand und der Zimmerdecke. Ernie feuerte bloß einmal. Die 54er Kugel, mehr als siebenundzwanzig Gramm schwer, traf den Jungen voll in die Brust und riß ihm regelrecht ein Loch in den Körper.
    Eine Explosion konnte man sehen. Das schwere Geschoß, das auf diese Distanz einen Elefanten getötet hätte, zerriß eine Schlagader. Der Junge explodierte in Blut.
    Er starb innerhalb von Sekunden. Als Ernie später gefragt wurde, was er dabei empfunden habe, sagte er, es sei ihm egal gewesen. Er sagte, daß er sich gleich danach ein Versprechen gegeben und es auch gehalten habe. Er sagte, er habe nie mehr darüber nachdenken wollen und es auch nie getan.
    Diese gewaltsame Episode, die Ernie Salgado während der Rückkehr in den normalen, anständigen Polizeidienst erlebt hatte, war womöglich nicht annähernd so absonderlich wie eine Begegnung, die sein Mannschaftskollege Tony Puente hatte, dessen Frau inzwischen überglücklich war, daß das 90-Tage-Experiment in den Bergen ein Ende gefunden hatte. Vielleicht würden sie jetzt wieder ein normales Leben führen können. Vielleicht würde er auch nicht mehr immer erst nachts nach Hause kommen und wie ein Grenzgänger stinken – die meiste Zeit auch wie ein Säufer.
    Das war dadurch gekommen, daß sie es nach Feierabend allesamt dringend nötig hatten. Immerhin waren sie bei einem einmaligen Polizeiexperiment dabeigewesen, und ein Mann brauchte ein Gläschen oder auch zwei, wenn er draußen in der rabenschwarzen Nacht stundenlang zwischen lauter seltsamen Gestalten in der Finsternis herumgestolpert war. Was verstand eine Frau von den Canyons? Schließlich verstand nicht mal er diese verdammten Canyons.
    Teilweise war er froh, daß es vorbei war. Keiner von ihnen hatte je zugegeben, wie schaurig es da draußen in diesem Niemandsland war. Einige von ihnen machten zwar Andeutungen über unangenehme Träume. Aber sie waren harte Cops. Auf dem besten Weg, so sehr Macho zu sein, daß sie nicht mal über so was redeten. Er fragte sich, ob auch andere echt erleichtert waren, daß es zu Ende war, ganz unabhängig davon, daß sie immer noch jammern, sie hätten ja gar keine Chance gehabt, diese Gangster fertigzumachen.
    Über dieses trostlose, langweilige Streifengehen nach seiner Rückkehr war er alles andere als glücklich, aber er konnte immer noch hoffen, daß sich für einen Mexikaner irgendwann die Chance für einen Job bei der Kripo ergeben würde. Als Tony Puente vor acht Jahren bei der Polizei von San Diego angeheuert hatte, gab es dort gerade vier Prozent mit spanischen Familiennamen. Und das in einer der zehn größten Städte Amerikas, direkt an der Grenze zu Mexiko, dem Eingangstor aller Lateinamerikaner.
    Selbst unter dem neuen Chief war von zwanzig Beamten beim Morddezernat nur ein einziger Mexikaner, und ebenfalls je nur einen gab's beim Betrug und beim Rauschgift. Die mexikanischen Cops hofften, daß Chief Kolender einige Veränderungen im Department einleiten würde. Er hatte sich von der Pike auf hochgedient. Er war klug und gewiß kein Provinzler. Aber Amerikas schönste Stadt und die Polizeistreitmacht, die sie

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