Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
Vom Netzwerk:
gerade jetzt beschlug auch noch seine Brille.
    »Ich muß mir Ihren Scheiß ja wohl kaum anhören«, sagte der Mann.
    »Nein, Sir!« sagte Tony Puente. »Ich schieß deshalb besser mal in den Wind und laß Ihnen den Spaß an …«
    »Keine Bewegung!« sagte der Mann. »Ich glaube, ich sollte Sie mal kurz umlegen.«
    Und der Cop zuckte zusammen, als er das hörte. Er bemühte sich verzweifelt, jede Erklärung, jeden Satz, jede Redensart, jedes Wort zu vermeiden, alles, was sich auf schießen, umlegen oder dergleichen bezog …
    »Papa, leg ihn nicht um!« schrie der Junge plötzlich, und Tony Puente zuckte erneut zusammen und hätte am liebsten zurückgebrüllt: SAG NICHT UMLEGEN, DU ARSCH!
    Statt dessen sagte er: »Komm, ist doch alles klar, dein Vater und ich reden ja bloß miteinander. Ehrlich, wir haben ne Menge gemeinsam, und …«
    »Ich hasse Nigger!« sagte der Mann.
    »Zu denen gehöre ich ja nun nicht!« meinte Tony Puente begeistert. »Ich bin Mexi…«
    »Papa, er ist kein Nigger! Siehst du das nicht?« Der Junge schrie förmlich. »Das is' ''n Cop, Papa! Und Mexikaner! Sie sind doch Mexikaner, Officer, oder?«
    »Oh, Mann, läßt du mich das mal machen, mein Junge?« sagte Tony Puente, während der Junge auf und ab hüpfte und die Hände abwechselnd zwischen seine Knie und unter die Arme preßte. Aber dann schrie der Knabe weiter: »Du darfst doch keinen Cop umlegen! Er hat doch ne Uniform an! Er ist Cop, Papa! Leg ihn nicht um!«
    Und Tony Puentes Hemd war klatschnaß, und er hatte endlich begriffen, daß die Situation schrecklich real war. Der Junge war hier die Flachpfeife! Total hinüber. Viel bekloppter als sein alter Herr. Er war hier mit zwei Psychos im Haus, nicht bloß mit einem!
    Der Junge fing an, sich wie ein Kreisel zu drehen. Der Vater fing an, irgendeinen Unfug über Nigger zu quatschen. Tony Puente dachte dauernd daran, daß er in den Bergen und Canyons drei Monate überlebt und dabei nichts als eine mittlerweile längst verheilte Schramme am Arsch davongetragen hatte, als er, mit der Dienstmarke in der Hüfttasche, auf einen Felsen gefallen war.
    Er mußte sich was einfallen lassen! Er überlegte, ob er die Hand ganz langsam an sein kleines Funksprechgerät wandern lassen und es in Betrieb setzen sollte. Er überlegte, ob er nach der Waffe greifen und gleichzeitig nach links springen sollte, weil die Kanonen von Rechtshändern, vom Schützen aus gesehen, beim Abfeuern normalerweise nach links streuen. Er schaffte es einfach nicht, den Kloß in der Kehle runterzuschlucken.
    »Nicht schießen! Nicht umlegen!« Der Knabe kreischte immer noch, und Tony Puente fing an, schneller zu atmen, und konnte bloß noch an eines denken: den verdammten Knaben mitzunehmen, wenn er schon sterben mußte!
    Dann war der Mann dieses ganze Geschrei und Gekreisch und Rumgespringe offenbar leid, und er schlenderte zu seinem Stuhl und machte es sich gemütlich.
    Und Tony Puente sprang ihm auf den Kopf. Und dieser Knabe sprang daraufhin wahrhaftig ihn an und schrie: »Du wirst meinem Papa nichts tun, du verdammter Hund!«
    »Ich hatte wirklich keine Ahnung von Kanonen«, sagte Tony Puente später. »Vor allem hatte ich keine Ahnung von so 'ner Derringer. Mit einer Hand hielt ich die Kanone, und mit der anderen versuchte ich, mein Funkgerät in Gang zu kriegen. Und dabei machten dauernd diese zwei Wahnsinnigen an mir rum, ich hatte bloß noch Angst, daß ich mich mit dieser verrückten Kanone selber umleg, und irgendwie kriegte ich dann doch noch den Notruf an die Zentrale raus. Und der Kerl in der Zentrale sagte: ›Isses dringend?‹«
    Am Abend erschien ein Inspector auf der Dienststelle, um sich über Tony Puentes Zusammentreffen mit Vater und Sohn ein Bild zu machen, nachdem beide in Haft waren und zweifellos als das behandelt wurden, was sie waren – als Bekloppte. Der Inspector stellte ihm nicht viele Fragen. Er erklärte, er sei froh, daß keiner verletzt worden sei. Der Sergeant aber dachte offenbar, na, was ist das schon. Ebenso der Lieutenant. Niemand schien sich groß darum zu kümmern oder zumindest dafür zu interessieren, daß Tony Puente größte Mühe hatte, nicht mit den Zähnen zu klappern.
    Ihm war klar, daß er nicht mal seiner Frau erzählen konnte, was passiert war. Sie wäre wegen der verdammten kugelsicheren Weste stocksauer gewesen. Tony Puente sagte sich, daß er ebensogut wieder draußen in den Canyons sein könnte. Die Sachen, die hier in der City passierten, waren auch nicht realer

Weitere Kostenlose Bücher