Die San-Diego-Mission
beschützte, waren in bezug auf Veränderungen nicht gerade sehr schnell. Man lebte in einer ebenso reichen wie isolierten und provinziellen Ecke Amerikas.
Wenn man auf einen Kripojob scharf war, sollte man sich deshalb besser von vornherein einen aussuchen, der im Moment von einem Mexikaner besetzt war. Und dann darauf warten, daß dieser Mexikaner befördert wurde, in Pension ging oder verstarb. Traditionsgemäß hatten Mexikaner bloß eine einzige reale Versetzungschance, nämlich die, andere Mexikaner zu ersetzen. Er hoffte jedoch, daß das Experiment irgend etwas zu ihren Gunsten bewiesen hatte: daß auch ein Verein von Mexikanern ohne weiteres raus in die Berge gehen und was Vernünftiges zustande bringen konnte.
Immerhin hatte Tony in den Bergen noch eine andere seltsame Erfahrung gemacht: es war äußerst merkwürdig, sich wie ein Grenzgänger anzuziehen, zu sprechen und zu riechen. Oder sogar zu versuchen, zum allererstenmal in seinem Leben wie ein anderer Mensch zu denken. Er kapierte auf diese Weise, daß er eben doch kein echter Mexikaner war, nicht mal annähernd. Dabei glaubte die weiße Mehrheit immer, man sei einer. Für einige von ihnen war es in diesen Bergen verdammt schwer gewesen. In ihren Köpfen spielten sich immer häufiger kulturelle Konflikte ab.
Und auf dem Höhepunkt der Ereignisse mußte er dann zu Hause auch noch mit einer religiösen Krise fertig werden, die ihn mehr und mehr verrückt machte.
Als er noch zum Nachwuchs des Marinecorps gehört und seine kindliche Frau geheiratet hatte, wollte sein neuer Schwiegervater nicht mal mit ihm reden. Die frühe Eheschließung war ja schon schlimm genug, aber dann auch noch einer von denen als Schwiegersohn? Der junge Tony Puente hatte das Herz des Mannes letztlich dadurch gewinnen können, daß er eingesehen hatte, wie schwer es für den Hinterwäldler aus West Virgina sein mußte, mit der Aussicht auf »Halbblutenkel« leben zu müssen. Tony hatte ihn auf seine Seite ziehen könne, als er sich von einem bestimmten Zeitpunkt an nicht mehr bemühte, »Weißer« zu sein, sondern sich mexikanischer gab. Obgleich es mit seinen Spanischkenntnissen wirklich nicht sehr weit her war, redete er in jenen Tagen in Gegenwart seines Schwiegervaters so viel wie möglich Spanisch, und der alte Herr war über diese klangvolle Sprache und Tonys sanfte, dunkle, ruhige Redeweise regelmäßig entzückt.
Nachdem er dann eine Zeit als Cop gearbeitet hatte, war es augenscheinlich, daß er für Dene ein guter Ehemann und seinen Kindern ein guter Vater war. Alles lief prima für Tony Puente, bis sie derart tief in diese alles verzehrende, Traktätchen verteilende, sich auf die Bibel berufende fundamentalistische Religion eintauchte. Zunächst fand er es nur in Grenzen beunruhigend, denn was soll's, zum Teufel, dachte er, sie war wirklich noch eine sehr junge Frau und Mutter. Er machte seinen Dienst bei der Polizei und war nachts die meiste Zeit unterwegs, und was hatte sie?
Dann allerdings fing er an, die Lehren dieser Religion mal zu lesen. Nur die Missionarsstellung im Bett? Frauen sollten sich vor ihren Ehemännern nicht ausziehen? Keinerlei unnötiges Aufreizen? Ist doch SCHEISSE!
Abgesehen davon jedoch war es schon zu spät. Sie war viele Meter tiefer eingetaucht als Johannes der Täufer. Und in den Ferien gleich anschließend sagte sie, sie wolle keinen Weihnachtsbaum im Haus haben, weil das die Grundsätze ihres neuen Glaubens verletze.
Darauf verließ er sofort das Haus und besorgte einen Weihnachtsbaum, der mindestens so groß war wie eine kalifornische Sequoia. Er mußte die halben Äste absägen, um dieses verdammte Ding überhaupt durch die Tür zu kriegen. Na gut, er zeigte ihr, was Weihnachten heißt. Er verschönte sogar den Lokus mit Mistelzweigen und Stechpalmen und farbigen Lichtern, verdammt noch mal.
Aber Weihnachten war eine einzige Katastrophe, trotz ihres Weihnachtsbaums, der immer noch aus jedem zweiten Fenster des Hauses ragte, und obgleich es bei ihnen mehr Lichter gab als auf dem Flughafen von San Diego. Sie argumentierte; sie weinte; er fühlte sich plötzlich schuldig. Weihnachten machte ihn fix und fertig.
Sie müsse sich kasteien und immer demütig sein, um Gott zu gefallen, sagte sie zu ihm.
»Aber ich habe mein halbes Leben lang versucht, ein besserer Mensch zu werden!« sagte er zu ihr. »Ich wollte, daß du mehr vom Leben hast als meine Mutter, die mit diesem Säufer von Mexikaner verheiratet war!«
»Seit kurzer Zeit
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