Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
Vom Netzwerk:
sich ganz dicht an ihn herandrängte. Und er blies Ken Kelly seinen Atem direkt ins Gesicht und sagte dabei Dinge, die alle Polizisten schon mal gehört haben. Es war nicht mal das Allerschlimmste, das ihm jemals von einem Bürger gesagt worden war. Der Mann beugte sich sehr dicht zu ihm herab und sagte irgendwas wie: »Sie sind so nett, daß Sie eigentlich mal bald aufhören könnten, Kleintiere zu ficken, Sie dreckiger Penner …«
    Urplötzlich nahm Ken Kelly sein verrücktes Jack-Nicholson-Gehabe an, ohne daß es ihm bewußt wurde. Er sah nur noch, wie dieser Mensch nach rückwärts taumelte und flach auf dem Rücken landete. Auf seiner rechten Kopfseite klaffte eine tiefe, blutende Wunde.
    Weshalb guckten ihn denn alle an, als fräße er gerade Hühnerköpfe? Weshalb brüllte dieser Kerl hier eigentlich so entsetzlich rum? Ken Kelly fragte seinen verstörten Partner: »Wieso schreit der eigentlich so entsetzlich rum? Ich hab ihn doch gar nicht getroffen!« Dann sagte er dem hingefallenen Bürger: »Ich habe Sie doch gar nicht getroffen!«
    In Wirklichkeit hatte er den Mann aber doch getroffen. Die Taschenlampe war total verbogen. Später saß er im Büro seines Schichtführers, strich sich das weiche blonde Haar sanft über die Ohren zurück und erklärte seinem Sergeant: »Offenbar habe ich ihn mit meiner Taschenlampe getroffen. Ich muß ihn ja getroffen haben. Aber ich kann es beschwören, ich weiß es nicht mehr! Hätte ich so was mit Absicht gemacht, wenn tausend Zeugen dabei sind, die alle aussehen wie Advokaten mit Hämorrhoiden? Hätt ich das gemacht?«
    Der Sergeant sagte trocken: »Warum gehen Sie nicht mal mit 'nem Hammer ins nächstbeste Bürgerrechtsbüro und legen da den Schwanz auf den Tisch?«
    Ken Kelly war dazu ausersehen, eine Berühmtheit des Police Departments zu werden. Er war der erste Cop in San Diego, gegen den als Ergebnis der Anzeige eines Bürgers strafrechtlich vorgegangen wurde. Weil es sich dabei sowohl um eine Strafanzeige als auch um eine Zivilklage handelte, wurde ihm vom Police Department auch noch vorgeworfen, exzessive Gewalt angewendet zu haben.
    Bei der Mutter von Ken Kelly wurde in diesem Jahr Krebs im letzten Stadium diagnostiziert. Er mußte sich einen Rechtsanwalt nehmen, und die Strafsache schleppte sich in dieser sowieso schrecklichen Zeit des Wartens monatelang hin. Er plädierte auf einfachen tätlichen Angriff und mußte sich wie jeder gewöhnliche Kriminelle einem Bewährungsgespräch unterziehen. Er war der erste uniformierte Polizist in San Diego, dem so was passierte.
    Er sah sich im übrigen gezwungen, zum Unterstützungsverein der Polizei zu gehen und den Leuten klarzumachen, daß und wofür er sich dringend eine Menge Geld leihen mußte: »Nee, für ''n neues Auto sicher nicht, du Arschloch! Nur, damit ich keine Streifen tragen muß!«
    Manny Lopez konnte verstehen, daß es im Leben jedes Mannes kritische Situationen gibt. Er selbst hatte die eine oder andere Situation, in der er nicht mehr ein noch aus wußte, auch schon erlebt. Er hatte überdies schon vor längerem beschlossen, daß Robbie Hurt, weil er schwarz war, nicht bei den eigentlichen BARF-Aktionen, sondern nur beim Reserveteam eingesetzt werden konnte und dort einen ständigen Partner brauchte. Es würde sicher nicht schaden, wenn der Partner ein weißer Kumpel wäre, der in den Canyons zusätzlich auch noch den Lockvogel spielen könnte. Es würde sich dabei zwangsläufig um einen weiteren Outsider handeln.
    Ken Kelly hörte also, daß Manny Lopez ihn vielleicht vorschlagen würde, sobald sich bei BARF eine Lücke auftäte, und er wußte ja, daß die anderen, die ihn kannten, den Vorschlag unterstützen würden. Wenn das effektiv stimmen sollte, könnte ihn der nächste Kerl, dem er seine Lampe ins Gesicht knallte, sicherlich kaum so schnell vor den Kadi bringen. Canyongangster erstatten selten Strafanzeige. Natürlich wär's ja zwar denkbar, daß der nächste Kerl ihn gleich umlegte, aber in der Hinsicht sagte sich Ken Kelly, daß derjenige ihm damit in Anbetracht der Ereignisse, die sein Leben in diesen Tagen verdüsterten, bloß was Gutes antun würde.
    In der zweiten Nacht, in der sie wieder in den Canyons waren, an einem im großen und ganzen ereignisarmen Sonntagabend, kam ihnen jäh der Verdacht, daß die Gangster ihnen den einen oder anderen Trick abgeguckt hatten. Manny Lopez war an dem Abend mit seiner Zweitbesetzung unterwegs. Renee Camacho und Carlos Chacon waren seine Partner.

Weitere Kostenlose Bücher