Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
Vom Netzwerk:
war ein Wort, das sie in den kommenden Monaten noch oft hören würden. Die Gangster riefen ihren Genossen zu, Verstärkung zu schicken: »Socios!«
    Es ging gnadenlos weiter mit Getrampel und Prügeln und Umsichbeißen und Stechen, und eine Menge anderer Barfer kam ihnen durch den Canyon schleunigst zu Hilfe. Die jungen Junkies wurden ganz schön zusammengeschlagen. Geradezu denkwürdig allerdings wurde der Vorfall dadurch, daß sich im selben Augenblick, in dem der Knabe »Socios!« schrie, jene schattenhafte Gestalt dem Grenzzaun näherte. Und eindeutig immer noch von mexikanischem Boden aus feuerte der Mann gezielt eine Kanone auf sie ab. Er verfehlte sie und verschwand in der mexikanischen Nacht.
    Dann fing das Geschrei erst richtig an.
    »Barf! Barf! Barf!«
    »Verdammt! Du Scheißkerl! Barf!«
    Am Ende hatten sie die beiden jungen Süchtigen doch noch überwältigt, und beide Seiten beklagten Beulen, blaue Flecke, Quetschungen und Fleischwunden. Die Süchtigen waren kaum noch wiederzuerkennen, als sie später vor Gericht erschienen. Renee Camacho wachte am Morgen darauf auf und fühlte sich kaputt, als hätte er Football gespielt.
    Während der Sauferei in dieser Nacht gab es nur ein einziges Gesprächsthema. »Loco?« Wer kann das sein, dieser Bastard mit der Skimaske? Selbst wenn er weiß, wer wir sind, riskiert er es zu schießen.
    Renee Camacho steuerte in dieser Nacht eine bemerkenswerte Beobachtung bei. Er sagte: »Bisher haben sie da draußen Stöcke und Steine und vielleicht noch Messer gebraucht. Jetzt gebrauchen sie Kanonen? Liegt das etwa an uns, daß die Gangster meinen, daß sie Kanonen gebrauchen müssen, wenn sie's mit uns aufnehmen wollen?«
    Würde das ihr Vermächtnis sein? Die BARF Squad würde praktisch bewirkt haben, daß sich die Gangster bewaffneten? Alle waren der Ansicht, das sei ja nun wahrhaftig etwas albern und komisch. Beziehungsweise sogar sehr.

 

    9. KAPITEL
    Mordida
    E in geradezu unglaublicher Strom von Selbstbewußtsein fließt durch die Vereinigten Staaten von Amerika. Dadurch und im übrigen durch den ziemlich unbegründeten Glauben an ihre unbegrenzten Möglichkeiten werden die Amerikaner überall im Ausland wie mit einem Brandeisen und derart unverwechselbar gekennzeichnet, daß sie ihren Vettern in den Ländern, aus denen ihre Vorfahren gekommen sind, viel weniger verwandt vorkommen als die meisten anderen ausländischen Besucher. Man muß bloß mal, sagen wir: Irland besuchen und in einer Dubliner Kneipe einem aus Irland stammenden Amerikaner zugucken, wie er tränenüberströmt den Rebellenschnulzen über die Erschießung von Engländern lauscht. Oder einer Gruppe amerikanischer Juden in Tel Aviv zuschauen, die glänzenden Auges mit leibhaftigen Israelis, denen sie klarerweise ihre Drinks bezahlen, die Hora zelebrierten. Oder Amerikaner mexikanischer Herkunft in den Cantinas von Tijuana bestaunen, in denen mit »originaler« mexikanischer Küche Reklame gemacht wird, wobei die dann normalerweise aus knorpeligen carnitas und einer nicht besonders gelungenen und für die Gringos viel zu scharfen salsa besteht.
    Irgendwann mal schlossen sich die Barfer der letzten turista- Gruppe an. Und wie die Touristen, die sie ja nun darstellen sollten, wurden sie immer lauter und redseliger und produzierten sich als Gelegenheitssäufer, die ihrer erschöpften Reisegesellschaft rücksichtslos Evergreens wie »La Paloma« in die Ohren schmetterten. Einen sehr lauten und feuchten Abend lang versuchten sie den Eindruck zu erwecken, sie seien mindestens ebenso waschechte Mexikaner wie der mariachi- Musiker in ihrem Lokal, der allerdings sofort gesehen hatte, daß ihn mit diesen amerikanisierten Kürbisköpfen etwa so viel Gemeinsamkeiten verbanden wie mit dem chinesischen Restaurantbesitzer, der ihm sein Gehalt zahlte und zumindest noch in Mexiko geboren und aufgewachsen war.
    Die Einwohner von Irland, Israel, Mexiko und anderen Ländern, die von Amerikanern auf der Suche nach ihren Ursprüngen überlaufen werden, haben für diese Leute eine ganz bestimmte Bezeichnung. Das betreffende Wort hat im Hebräischen, Gälischen, Italienischen, Griechischen, in der Suahelisprache und im Spanischen haargenau dieselbe Bedeutung. Die Bezeichnung heißt: Yankee-Dipshits.
    Und so kann eine verkleidete Horde von Amerikanern mexikanischer Herkunft zwar die armen Hunde in den Canyons für ein paar Minuten zum Narren halten, echte Mexikaner jedoch spüren instinktiv, daß alle Dipshit-Tölpel, ganz

Weitere Kostenlose Bücher