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Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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Ungeachtet aller Befehle von oben hatte Dick Snider nicht auf der Station bleiben wollen, sondern sich entschlossen, gemeinsam mit Robbie Hurt das Reserveteam zu bilden.
    Unmittelbar vor Einbruch der Dunkelheit fiel Dick Snider in der Nähe des E-2-Canyons, ungefähr eine halbe Meile von der Grenzstation entfernt, ein Mann auf. Er lungerte in der Nähe eines großen Lochs im Grenzzaun herum, und er sah aus wie ein sehr armes Würstchen. Ziemlich schnell gesellten sich vier andere Männer zu ihm, und als es ganz dunkel war, nahm Dick Snider über Funk mit Manny Lopez Kontakt auf und sagte ihm, er solle mal einen kleinen Marsch in Richtung Grenzzaun unternehmen.
    Manny und seine Zweitbesetzung marschierten den Grenzzaun entlang, und als sie sich dem Loch näherten, tauchte im Dunkel vor ihnen ein ziemlich großer Typ auf. Er trug eine blaue Jacke und Jeans. Es handelte sich um einen Teenager, wie sich herausstellte, der aber älter aussah. Es handelte sich außerdem um einen ausgeflippten, tätowierten, rotznasigen Heroinsüchtigen aus Colonia Libertad, der dringend was zu essen und noch dringender einen Schuß brauchte. Als die Barfer nur noch zwanzig Meter von ihm entfernt waren und sehen konnten, daß er keine Waffe in der Hand hatte, kauerten sie sich hin und spielten ihre Rollen.
    »Wo wollt ihr hin?« fragte er.
    »San Diego«, sagte Manny Lopez.
    »Ich kann euch hinbringen«, sagte er. »Wieviel Geld habt ihr dabei?«
    »Zweihundert Dollar«, sagte Manny, »aber die brauche ich, um nach Los Angeles zu kommen.«
    »Wieviel hast du?« fragte er Carlos Chacon.
    »Fünfundsiebzig Dollar«, antwortete Carlos in gutem Spanisch.
    Als Renee gefragt wurde, wieviel er dabei habe, steigerte sich sein Knabentenor zwar zu einem Grenzgängersingsang, und er sagte: »Fünfzig Dollar«, aber der Akzent klang für Mannys Ohren reichlich abenteuerlich. Immerhin, der Knabe hatte ihn ja zum Reden gezwungen.
    Der junge Mann war anscheinend zufrieden. »Ich bin gleich wieder da«, sagte er.
    Die Barfer blieben in der Hocke sitzen, maximal drei Meter von der internationalen Grenze entfernt, genau vor dem mannsgroßen Loch im Zaun. Als der Knabe zurückkehrte, war er nicht allein. Drei Männer und ein weiterer Teenager waren bei ihm. Die Gruppe blieb ein paar Meter von ihnen entfernt im Dunklen stehen, und der zweite junge Mann sagte einige Worte zu seinen Kumpanen, die die Barfer sofort alarmierten. »Was wird El Loco sagen?« sagte er.
    Es war das zweite Mal, daß sie diesen Namen »Loco« hörten, den Namen des Gangsters, der sie auszurauben versucht hatte und entkommen war, dabei aber eine rote Skimaske zurücklassen mußte. Dann hatte der erste junge Süchtige einen Einfall, den bis dahin in den Canyons noch nie jemand gehabt hatte. Er befahl Manny Lopez: »Steh auf. Ich muß dich nach Waffen durchsuchen.«
    Selbstverständlich tat Manny daraufhin alles, um der Aufforderung nicht Folge leisten zu müssen. Waffen? Arme Pollos wie wir? Was sollen wir mit Waffen anfangen? Arme campesinos wie wir? Und so weiter.
    Mannys Schauspielkunst war schlicht überzeugend. Die fünf gingen ein paar Schritte zurück, auf das ominöse Loch im Zaun zu, und redeten da mit einer schattenhaften Gestalt, die auf der anderen Seite stand – mit einem Mann, der die ganze Zeit das mexikanische Territorium nicht verließ. Einem Mann, dem schon einmal der schlimme Schock widerfahren war, »Pollos« zu begegnen, die sich hinterher in Polizisten aus San Diego verwandelt hatten.
    Als sie zurückkehrten, verlor der junge Junkie die Geduld. Er trug jetzt einen schwarzen Handschuh, und sie konnten erkennen, daß er ein blankes Messer in der behandschuhten Faust hielt. Er wolle jetzt Geld haben, erklärte er, praktisch als Vorkasse.
    Und das war's dann auch schon. Manny Lopez sagte: »Sabes que?«, damit sie wußten, daß es gleich losging. Und einen Augenblick später sagte er etwas, das keiner der Gangster verstand: »Barf!«
    Und alle drei Cops sprangen zur selben Zeit auf und brachten die stahlblauen Läufe ihrer Waffen zum Vorschein, und die drei älteren Gangster glitten geschmeidig wie Seehunde durch das Loch im Zaun. Die beiden jungen Junkies reagierten nicht schnell genug.
    Diese total ausgeflippten Typen hatten nichts mehr zu verlieren und waren geradezu tollkühn. Renee Camacho schrie gellend auf, als er einen Tritt abkriegte. Carlos Chacon packte einen der Knaben, während der andere auf das Loch im Zaun zurannte und brüllte: »Sodas! Socios!«
    Es

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