Die San-Diego-Mission
Hand. Erzielte in der Tat direkt auf Mannys Gesicht. Es war bereits das dritte Mal, daß einer, der sich als mexikanischer Gesetzeshüter ausgab, Manny seine Waffe fast ins Gesicht rammte. Diesmal aber zog Manny seinerseits nicht die Waffe, und ebensowenig zeigte er seine Dienstmarke vor, und er führte auch kein mexikanisches Patt herbei. Jedenfalls nicht im Augenblick. Diesmal dachte Manny zunächst an sich selbst, und ein erschreckender Gedanke schoß ihm durch den Kopf. Manny dachte: Diesmal mußt du sterben.
Manny Lopez war nicht in Vietnam gewesen. Manny hatte noch nie auf einen Menschen, sondern immer nur auf die Zielscheibe auf dem Übungsstand der Polizei geschossen. Manny hatte nicht mal viel Ahnung von Schußwaffen, abgesehen von seinem Dienstrevolver, und er war auch kein besonders guter Schütze. Er hing immer nur diesem schrecklichen Gedanken nach: Diesmal mußt du sterben. Es ist sehr schade. Es ist zu schade, daß du jetzt sterben mußt.
Die 45er war schußbereit. Aus irgendeinem Grund schwenkte der elegante Fremde die Waffe dann etwas nach links und zielte auf das Gesicht von Joe Castillo, der ein paar Zentimeter rechts neben seinem Sergeant kauerte.
Das alles passierte so gemächlich, daß Manny es kaum glauben konnte. Das ist tatsächlich wie im Film, dachte er. Die Ereignisse laufen tatsächlich wie in Zeitlupe ab. Dann jedoch hörte Manny auf, daran zu denken, daß er diesmal sterben mußte, und er hörte sogar auf, an irgend etwas zu denken – außer an den 38er Smith & Wessen in seinem Schulterholster. Während die 45er auf das Gesicht des regungslosen Joe Castillo zielte, der sich seinerseits fragte, ob er seine schlanken Finger nicht langsam in Richtung seiner Kanone wandern lassen sollte, riß Manny den 38er aus dem Holster und zog zugleich schon den Abzug durch.
PLOOM PLOOM PLOOM PLOOM PLOOM! hörte es sich in den Ohren von Joe Castillo an. Dann, meinte er, schien plötzlich alles wieder viel schneller abzulaufen, als der elegante Fremde anfing sich zu drehen, herumzuwirbeln, zu zucken. Er wurde hin und her geschleudert wie ein Wolf auf dem Schießstand. Dann hörte Joe ein BOPI, gerade, als er sah, wie der gutangezogene Typ zu Boden stürzte.
Der Schuß war aus Joes eigener Kanone gekommen, und sofort wurde ihm klar, daß er auf den abgerissenen Partner des eleganten Mannes feuerte, der quer durch das Creekbett flog und sich den Schädel aufschlug. Joe feuerte ein zweites Mal, und der abgerissene Partner fiel hin.
Dick Snider und Robbie Hurt, die das Reserveteam bildeten und sofort total aus dem Häuschen waren, kriegten von alledem nichts mit, abgesehen von Joe Castillos Gebrüll aus dem tragbaren Funksprechgerät: »Er ist angeschossen! Wir brauchen sofort Hilfe!«, worauf die Barfer in alle Richtungen rasten und dabei meist in die falschen.
Joe Castillo war, nach seinen eigenen Worten, total weggetreten. Einen Augenblick lang wußte er nicht, ob er schon tot war oder noch lebendig. Er rannte zu dem abgerissenen Ausländer, den er niedergeschossen hatte, und er erinnert sich, wie er das schreiende Lumpenbündel förmlich ansprang und schauerlich zusammenschlug. Der nicht sehr schwer verletzte Ausländer wollte sich wehren, aber Joe Castillo war nach allem, was vorgefallen war, schrecklich in Rage. Er wollte den Burschen totprügeln. Er hörte erst auf, als ihm das Adrenalin fast aus den Fingernägeln kam. Er hatte nie etwas Ähnliches empfunden. Er hatte kaum noch die Kraft, den Burschen zurück zu Manny zu schleifen.
Manny Lopez hockte am Boden und hielt den eleganten Typen vorn am Hemd fest. Manny war genauso weggetreten, und er erinnerte sich, daß er den Typ aus nächster Nähe anbrüllte. »Du Arschloch! Du Arschloch!« Manny erinnert sich, daß das einzige Wort, das der Mann sagte, migra war. »Bist du wirklich von der Einwanderungsbehörde?« fragte Manny.
»Ja«, antwortete der Mann. Aber er wurde dabei immer grauer und grauer.
»Du verdammtes Arschloch!« sagte Manny. »Weshalb hast du das gemacht?«
»Ich habe gedacht, ihr seid Schmuggler«, keuchte der Mann, und irgendwie schaffte er es dann, sich auf seinen Ellenbogen zu stützen.
»Scheiße!« sagte Manny Lopez. »Du bist ein Gauner. Du hast eine Dienstmarke und bist ein Gauner!«
»Wie schlimm ist es?« fragte der Mann und schnappte mühsam nach Luft.
Manny sah sich den blutenden, scheinbar von Kugeln durchsiebten Körper an. Der Kerl hatte drei Schußverletzungen am Körper, einen Einschuß an der
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