Die San-Diego-Mission
uns entschlossen haben, keine Anklage gegen den Knaben zu erheben?«
»Chief, ich denke, daß das Scheiße ist«, antwortete Manny. »Dadurch sieht das doch aus, als ob ich Scheiße gebaut hätte! Ich hab gehört, sein Vater ist ein hoher Regierungsbeamter in Mexiko City. Na, und wenn schon? Er ist ein Gangster, der einen Dienstausweis hat. Die schlimmste Sorte Gangster, die es gibt.«
»Sie können aus dieser Truppe nicht austreten!« sagte Chief Kolender.
»Doch, ich kann, Chief. Ich trete aus«, sagte Manny.
»Was schlagen Sie vor, was ich tun soll?« fragte der Polizeichef.
»Weiß ich doch nicht«, antwortete Manny Lopez. »Sie sind der Chief.«
»Ich weiß, daß ich der verfluchte Chief bin. Was schlagen Sie vor, was ich tun soll?«
»Meine Jungs haben das Gefühl, daß ihnen keiner den Rücken stärkt«, sagte Manny Lopez. »Wie wär's, wenn Sie mal herkämen … in meinen Laden, und wenn Sie meinen Jungs mal was erklären und sich auch … entschuldigen, wenn Sie meinen, daß wir das verdient haben?«
»Wie wär's Sonntag?« fragte der Polizeichef rasch.
Und er tat es. Auch Chief Kolender verstand das eine oder andere von Machismo und Flügelschlagen. Er entschuldigte sich fast doppelt und dreifach. Ungeachtet dessen, meinte er, daß in dem Brief des District Attorneys Gegenteiliges behauptet worden sei, habe das Police Department zwar einen sehr harten Standpunkt vertreten, aber es sei letzten Endes nicht möglich gewesen, den District Attorney von der dringenden Notwendigkeit einer Anklageerhebung zu überzeugen. Er erklärte, es tue ihm weh, daß sie sich im Stich gelassen fühlten, weil er immer der Ansicht gewesen sei, sie seien die potenteste Bande von Cops, die er in seiner ganzen Polizeikarriere je kennengelernt habe. Er sagte, daß er den Job, den sie da draußen in diesen Bergen machten, verdammt zu würdigen wisse. Er sagte, er selber hätte nie den Nerv, nachts in diese gottverlassenen Canyons zu gehen und sich mit bewaffneten Desperados herumzuschlagen.
Sie hatten noch nie einen hohen Polizeibeamten erlebt, der so zu ihnen geredet hatte, geschweige denn der Chief of Police persönlich. Manny strahlte und gab Bier aus, und alle schauten ihn voller Bewunderung an. Er konnte nicht nur ziehen, selbst dann, wenn er in die Mündung einer entsicherten 45er Automatic guckte. Er konnte sogar den großen Boß überreden, in seinen Laden zu kommen. Und sich fast zu entschuldigen. Er war echt eine Art von Satansbraten, dieser Manny Lopez! Er mußte wirklich einen Supersack haben, flüsterten sie sich zu. Mannys Sack war so groß wie eine Honigmelone. Manny Lopez hatte Superklöten.
Da war immerhin ein Punkt, der den Chef wahnsinnig geärgert hatte. Er erklärte, der Boß der mexikanischen Einwanderungsbehörde habe über einen der Barfer eine hundsgemeine Lüge verbreitet. Offenbar ging dort unten im Süden ein Gerücht um, ein Barfer sei gelaufen gekommen und habe den verwundeten Beamten, der zusammengeschossen auf der Erde lag, auch noch zusammengetreten. Chief Kolender versicherte der Truppe, er habe den Mexikanern klar und deutlich gesagt, was er von derart niederträchtigen Behauptungen halte.
Es war die erste echte Schießerei der BARF Squad. Manny Lopez sagte: »Wir haben da ja schon einige Kämpfe erlebt. Wir sind von mexikanischen Cops mit Kanonen und von Gangstern mit Messern bedroht worden. Wir sind sogar von Loco beschossen worden, über den Grenzzaun. Aber ich habe nie so was wie diese unmittelbar tödliche Bedrohung erlebt. Ich wußte ja, daß diese Sau schießen würde. Fragt mich nicht, warum, aber ich wußte es. Und ich hab nicht versucht, wegzulaufen. Ich hab nicht geschrien. Wer weiß, vielleicht war ich nur den Bruchteil einer Sekunde davon entfernt, zu schreien oder wegzulaufen oder den Kerl um Gnade zu bitten, aber ich hab's nicht getan. Ich wußte, daß ich's schaffen konnte. Mit allem, was mir je passiert ist, bin ich bisher fertig geworden – ob das Regen war, Scheiße, Blut oder die Sintflut. Aber ich habe mich noch nie so gut gefühlt wie jetzt. Ich habe mich noch nie so selbstsicher gefühlt. Oder irgend so was.« Manny erklärte Dick Snider, er möge seinen Kündigungsbrief zerreißen. Er wolle es bei BARF aushalten bis zum Schluß. Anschließend mußte er ganz schnell weg, denn eine lokale Fernsehtochtergesellschaft wollte ein Interview mit ihm machen.
10. KAPITEL
Die letzten Revolverhelden
W itzbolde pflegen zu sagen, in Amerikas schönster Stadt werde
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