Die San-Diego-Mission
nicht leicht, zu einer Legende des Police Departments und zugleich von sämtlichen Medien geliebt zu werden.
Es war ein außergewöhnlich aktiver Monat. Sobald der Frühling ins Land zog und das Wetter sich besserte, waren sie wieder draußen: die illegalen Grenzgänger, die Barfer, die Gangster – all die Kreaturen, die in den Canyons symbiotisch aufeinander angewiesen waren.
In der Nähe des steilen Abhangs, der das obere Fußballfeld begrenzte, näherten sich an einem Samstagabend im März allenfalls eine Stunde nach Sonnenuntergang zwei Männer dem Ensemble aus Manny Lopez, Eddie Cervantes und Tony Puente, zu dem in dieser Nacht noch Fred Gil gehörte. Als die Barfer einen Weg zum Deadman's Canyon hinabkletterten, schlossen die beiden Schatten immer enger zu ihnen auf und ragten schließlich drohend hinter ihnen auf, reichlich vergammelt und nach Müll stinkend. Die Barfer nahmen ihre Demutshaltung ein, und einer der Schatten trat an sie heran und sagte: »Gebt mir mal eine Zigarette.«
Manny leistete der Aufforderung gehorsam Folge, indem er ihm eine mexikanische Zigarette gab, und der andere sagte: »Mir auch.«
Sie rauchten einen Augenblick schweigend vor sich hin, bevor der erste sagte: »Gib mir mal ''n bißchen Geld für was zu trinken.«
»Ich hab nur ganz wenig für die Reise nach Norden«, sagte Manny mit schüchterner Grenzgängerstimme, und damit hatte er schon ins Fettnäpfchen getreten.
Der zweite Mann faßte Manny am Kragen seiner Jacke, drückte ihm die Klinge eines Messers gegen die Halswirbelsäule und erklärte, sie würden ihn entweder um sein Geld oder um seine Eier erleichtern.
Im Grunde war der Raubversuch gar nicht mal ungewöhnlich, abgesehen davon, daß die Dinge sich von vornherein ungewöhnlich entwickelten. Ob es was mit der immer üppiger werdenden Barfer-Legende zu tun hatte oder nicht – die Gangster hielten jedenfalls gar nichts von einem Vorspiel. Sie gingen sofort zum bewaffneten Angriff über.
Bei diesem speziellen Raubüberfall entwickelte sich außerdem noch etwas Neues – in der Rolle von Manny Lopez im Augenblick unmittelbarer Todesgefahr. Während er die Messerklinge direkt im Genick spürte, kroch in der Dunkelheit – in der es wonach stank? nach Müll? – wieder einmal seine rechte Augenbraue hoch und bildete das perfekteste Fragezeichen, das seine Kollegen bis dahin an ihm kannten. Die Augen von Manny Lopez allerdings schienen vor Lachen zu sprühen, als er sagte: »Bitte, Sir! Er hat das ganze Geld!« und dabei auf Tony Puente zeigte, der sich ein paar Schritte von ihm entfernt hingekauert hatte.
Tony Puente, Eddie Cervantes und Fred Gil, die von massiven Adrenalinstößen durchflutet wurden, fanden das alles andere als komisch. Jedenfalls im Moment. Dann allerdings wurde ihnen bewußt, daß Manny unter anderem wirklich fast geplatzt wäre, als sein kleines Auge unter der hochgezogenen Braue nur Unheil zu verkünden schien. Da schnitt sich ein Bursche allem Anschein nach selber den Strick zurecht, mit dem er im nächsten Moment in eine baumelnde Puppe verwandelt werden konnte, und er sah sich nicht etwa nach einem Ausweg um, sondern war drauf und dran, zu lachen.
Und prompt sagte Manny, sobald der Gangster auf sein Theater reingefallen war und sich auf Tony Puente stürzte: »Sabes que, du Arschloch?«
Das letzte Wort, das der Gangster dann noch mit Bewußtsein hörte, war »Barf!« Weil er unmittelbar darauf mit einem Pistolengriff niedergeschlagen, verprügelt, wirklich fürchterlich verdroschen, mit Handschellen gefesselt und festgenommen wurde.
Die Männer kicherten an diesem Abend noch Stunden später, wenn immer sie sich daran erinnerten, was Manny gesagt hatte. Sie fanden es so lange zum Totlachen, bis einer von ihnen mal nüchtern darüber nachdachte. Im Deadman's Canyon, mitten in dieser nächtlichen Finsternis? Mit einer Messerklinge am Rückenmarksansatz? Da macht Manny noch Blödsinn? Im Grunde hätte er ja genausoviel Angst wie alle anderen haben müssen. Hatte er wirklich keine?
Als das Wetter gegen Ende des Monats äußerst angenehm geworden war, kam Patricia Ramirez zu der Überzeugung, daß es Zeit sei, nach Norden zu gehen und Arbeit zu finden. Sie war vierundzwanzig, hatte weder einen Beruf gelernt noch eine Schulbildung genossen und sagte sich, daß sie zu alt sei, um sich in Tijuana selbst ernähren zu können. Wenn sie je eine Chance im Leben haben sollte, mußte sie nach drüben gehen. Patricia Ramirez wünschte sich mehr
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