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Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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gekrochen, nur um dem Pathologen nicht ins Gesicht sehen zu müssen.
    Eines Tages, als er Urlaub hatte und auf seiner Ranch in Baja arbeitete, sah er zufällig, wie ein vergammelter Lastwagen auf der ausgefahrenen, schmutzigen Straße eine Panne hatte und fahruntüchtig liegenblieb. Ganz offensichtlich funktionierte der Anlasser des Lastwagens nicht, und während Manuel Smith noch überlegte, ob er den Truck mit seinem eigenen Wagen mit Vierradantrieb anschleppen sollte, sah er erstaunt, wie zwei kleine Mexikaner emsig wie Ameisen die Sache anpackten, ohne sich überhaupt nach Hilfe umzuschauen. Zuerst stapelten sie flache Steine unter die Hinterachse; dann gruben sie ein Loch unter beide Hinterräder; dann nahmen sie ein längeres Stück Seil und wickelten es so um die Räder, wie man den Faden eines Jojo-Spielzeugs aufwickelt. Am Ende setzte sich der eine Mann in den Wagen, während sich der andere das Seil schnappte und so schnell wie möglich die Straße hinunterrannte.
    Die Räder fingen an, sich zu drehen. Der Mann innen im Wagen ließ ruckartig die Kupplung los. Der Motor sprang sofort an. Die beiden kleinen Mexikaner machten die Löcher wieder zu, manövrierten den Wagen von den Steinhaufen unter der Hinterachse herunter und tuckerten auf Nimmerwiedersehen davon. Das Ganze erinnerte ihn an die Art und Weise, in der die judiciales ihre Mordfälle und andere Verbrechen bearbeiten mußten. Sie kriegten's immer wieder hin, und sie kriegten's erstaunlich gut hin.
    Manuel Smith verstand die mexikanischen Gesetzeshüter nur allzugut, wenn sie von den Leuten im Norden kritisiert wurden, weil sie beispielsweise einen Kidnapper umgelegt hatten, der sein Lösegeld zu kassieren versuchte, nachdem er den Aufenthaltsort seines Opfers bekanntgegeben hatte.
    »Einen solchen Mann?« war unweigerlich die Antwort auf die Kritik aus dem Norden. »Wer interessiert sich denn für einen solchen Mann?«
    Sicher, es war ihre Art und Weise und ihr Land. Er wünschte sich wirklich nicht, irgendwann auch nur als »ein solcher Mann« verdächtig zu sein, aber gemessen an ihren Möglichkeiten und Mitteln hielten sie ihre völlig übervölkerte Stadt in puncto Verbrechen ziemlich sauber. Verglichen mit US-Verhältnissen war Tijuana geradezu jungfräulich.
    Trotz alledem, er war Cop in San Diego, in der zweiten Generation, und das verlor er nie aus den Augen. »Ich spiele mit unseren Jungs in derselben Mannschaft«, sagte er, als es um den angeschossenen Tamez ging. »Falls die Polizei da unten mich fragen sollte: ›Warum, Manuel, warum?‹ – ich würde trotz allem in unserer Mannschaft spielen.«
    Manny Lopez und seine Leute kamen dagegen zu der Überzeugung, daß sie mit Manuel Smith nicht in derselben Mannschaft spielten. Smith und Collins wurden zu einem Treffen mit mexikanischen Behördenvertretern geschickt, um den Fall Tamez auf eine Weise zu regeln, die den internationalen polizeilichen Beziehungen dienlich war. Manuel Smith und Ron Collins saßen im Büro eines Deputy Chiefs der mexikanischen Einwanderungsbehörde, als der seinem Stenographen einen abschließenden Bericht diktierte. Als er zu der Stelle kam, an der es um die Waffen und die Schießerei ging, unterbrach der Chief das Diktat und nahm sorgsam eine Korrektur vor.
    Sobald der Bericht fertig war, wurden Manuel Smith und Ron Collins gebeten, ihn zu lesen und als Vertreter des San Diego Police Departments und insofern auch der Regierung der Vereinigten Staaten gegenzuzeichnen. Ron Collins, der Spanisch nur mit Mühe lesen konnte, unterschrieb den Bericht. Manuel Smith unterschrieb ihn ebenfalls, obgleich er die Sprache sehr viel besser lesen konnte.
    »Sie waren damit zufrieden«, sagte er später. »Sie hatten ihr Gesicht gewahrt, wir hatten die guten Beziehungen gerettet, und das ist das einzige, was zählt.«
    Aber es war keineswegs das einzige, was zählte, jedenfalls nicht für Manny Lopez, dessen Braue total verschwand, als er hörte, daß in einer vom San Diego Police Department gegengezeichneten Erklärung eingeräumt wurde, Tamez sei verwirrt gewesen und deshalb unglücklicherweise ein Stückchen auf amerikanisches Hoheitsgebiet geraten.
    Manny Lopez und seine Barfer saßen in ihrem kleinen Squadroom, als abends Ron Collins erschien, um das Dokument zu erläutern. Manny Lopez wurde totenbleich.
    »Was glaubt ihr eigentlich, was ihr da für ne Scheiße gebaut habt?« brüllte er. »Was gibt euch eigentlich das Recht dazu? Du und Smith, ihr seid nicht mal

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