Die San-Diego-Mission
daß er im Anchor Inn in San Ysidro allen Ernstes jemanden bitten mußte, in seinem Namen die Presse anzurufen, weil ihm seine Arme viel zu weh taten, als daß er noch ein Telefon hätte bedienen können.
An diesem Abend schneiten im übrigen drei äußerst passable Lehrerinnen rein, von denen eine mindestens Körbchengröße D hatte, und erkundigten sich, ob dies hier die Kneipe sei, in der regelmäßig die »Revolverhelden« von der Grenze rumzuhängen pflegten. Es wurde insofern für einige der Jungs ein sehr langer Abend.
Von da an ging es erst richtig los; mit dem Erscheinen von Groupies, genau gesagt. Und weshalb auch nicht? Weshalb stellten sie ihre Heldentaten schließlich im Fernsehen nach? Hatten nicht alle kriegerischen Verbände einen Troß, der ihnen folgte?
Auf einer ihrer Saufpartys schluckte einer von ihnen eine ganze Flasche Agavenschnaps, und ein anderer aß am laufenden Band Pfefferschoten wie ein mexikanischer Macho. Aber Scheiße, das war ja noch nichts. Eddie Cervantes stellte alles in den Schatten, als er eine fette, wollige schwarze Raupe aufgabelte. Dieser nette Dauerlutscher war so groß wie ein Frühstückswürstchen, und sogar der Härteste aller Harten ging in die Knie, als Eddie sich das sich windende und krümmende Tier in den Mund schob und anfing, es zwischen seinen Mühlsteinen von Molaren zu zermalmen.
Er tat es, weil Manny ihn dazu herausforderte. Ebenso wie der junge Joe Castillo auf eine Herausforderung von Manny Lopez reagierte und über Parkuhren sprang, als sie früh um eins von einer Pinte in die andere über die Straße schwankten. Der junge Möchtegern-Manny-Lopez hätte sich fast die Eier kaputtgeschlagen, als er über diese Parkuhren hüpfte. Buchstäblich willens, Manny seine Eier zu opfern. Weiß Gott, er war wirklich ein Eierschleifer, dieser BARF-Sergeant, wenngleich vorerst kaum einer Notiz davon nahm. Sie hatten einfach zu viel damit zu tun, das zu werden, was sie nach Ansicht der Medien bereits waren.
Also, haltet mal die Schwingtüren eurer Kneipen auf! Hört auf mit diesem doofen Pianogeklimper. Schaltet mal schleunigst dieses Scheißzivilistenkarrieregequatsche ab, denn jetzt seid ihr Scheißzivilisten in bester Gesellschaft – in Gesellschaft der allerletzten, von Kakteen zerstochenen, fette Raupen lutschenden, Pfefferschoten kauenden, Gangster fertigmachenden, mit den Eiern klirrenden und total ausgeflippten Revolverhelden des Wilden Westens.
Und vielleicht war da ja sogar was dran. Bewundert Amerika etwa seine Philosophen, Staatsmänner, Künstler, Wissenschaftler? Bis zu einem gewissen Punkt schon. Aber zu Legenden werden in Amerika seit eh und je die Action -Typen. Die Revolverhelden. Amerika benennt Flughäfen nach John Wayne. Könnte ein Reporter so was etwa ignorieren? Man muß sich's ja eigentlich bloß mal vorstellen: zehn mickrige, hartgesottene Gesetzeshüter, die mexikanische Banditen umlegen, wo sie gehen und stehen, da draußen zwischen Kakteen und Felsen und Taranteln und Skorpionen und Klapperschlangen, in einem Niemandsland, das die Gangster der US-Regierung einfach mir nichts, dir nichts geklaut haben. Wenn das kein Szenario für einen Film von John Ford ist, was zum Teufel, ist es dann? Diese zehn waren die Verkörperung eines amerikanischen Mythos. Und nach ihnen würde keiner mehr kommen.
Sie waren zurückgekommen, beinahe ein Jahrhundert, nachdem die Welt glauben mußte, sie seien für immer verschwunden. Bei Gott, sie waren, wahr und wahrhaftig, die allerletzten echten Revolverhelden.
Man konnte sich kaum vorstellen, wie sehnsüchtig Ken Kelly sich wünschte, dazu zu gehören. Der blonde Cop riß sich gerade alle Beine aus, um bei den Partys im Wing-Park, im Anchor Inn oder einer der anderen Copkneipen, in denen sich die Barfer nach Feierabend versammelten, dabei zu sein. Dort traf er die Aktiven: Manny Lopez, aufgedonnert wie John Travolta und regelmäßig mit verpflastertem Gesicht, weil er wieder mal eine schwere Schlägerei mit einem Gangster gehabt hatte (die Groupies schmolzen förmlich dahin, wenn sie derartige Verletzungen sahen). Und oft auch mit kaputten Fäusten, weil er gerade den einen oder anderen Schwerverbrecher niedergeschlagen hatte. »Kannst du mir mal den Chivas Regal an die Lippen halten, meine kleine Goldorange?«
Und natürlich genoß Joe Castillo, der dauernd rechts neben seinem Sergeant saß und dieselben Diskoklamotten trug, jedoch mit noch mehr Goldkettchen behängt war, allein schon deshalb sein
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