Die San-Diego-Mission
gingen aus.
Damit war die Party aus und vorbei, und während die Barfer überlegten, wie sie die Lippenstiftspuren wegkriegen konnten, kroch Ken Kelly wie eine Tarantel auf dem Bauch herum und bettelte: »Warte! Laß die Karre stehen! Sonst sieht sie mein verdammtes Motorrad!«
Ken Kellys Frau machte das Licht alle paar Sekunden an und aus und strahlte sie mit ihren Scheinwerfern voll an, wie sie sich in all ihrer Verlegenheit zu verstecken versuchten. Dann wandte sich Fat Mindy an den Dornenbusch, hinter dem sich Ken Kelly versteckte, der an diesem Abend zufällig eine Tarnjacke der Army trug. Sie sagte: »Können wir dich hier nicht irgendwie rausschmuggeln?«
»Nein! Laß mich bloß in Ruhe!« flüsterte er, und alle verabschiedeten sich im Geist schon von Ken, als er gleich darauf brüllte: »Oh, Gott! Meine Privatkanone! Ich weiß, sie hat meine Privatkanone!«
Als letztes hörten sie von ihm die Worte: »Wenn ich meinen Arsch hier nur hoch heb, legt sie mich bestimmt um. Ihr kennt sie nicht!«
Insofern versuchte er gar nicht erst, seinen Arsch hochzuheben. So unauffällig wie möglich kroch er auf dem Bauch aus dem Gebüsch und schaffte es, das Motorrad den Berg herunterrollen zu lassen – einen steinigen, holprigen, ungepflasterten Berg. Er war derart fix und fertig, daß er dabei dauernd zwei Pintos sah, vier Scheinwerfer, zwei zornige Schatten auf dem Vordersitz. Als er unten war, war er schweißgebadet, zitterte zugleich vor Kälte und war total von Dornen zerstochen. Aber er hatte ungesehen die Straße erreicht. Er war erheblich nüchterner als zuvor, als er das Motorrad startete und seinen Arsch doch noch von dannen hob.
Als er gegen Morgengrauen nach Hause kam, war sie wach. Er hatte sich bis zur Halskrause vollgepumpt mit Kaffee und überdies sorgfältig zurechtgemacht und sein langes, glattes Haar gekämmt.
»Hü« sagte er. »Wartest du auf mich? Ich hab ne schreckliche Festnahme hinter mir. Stundenlang Berichte geschrieben. Soll ich mal erzählen?«
Die Barfer konnten gar nicht anders, sie mußten einen so flexiblen Typ wie Ken Kelly einfach bewundern. Und er wollte so dringend zu ihrer Squad, daß sie ihn inzwischen ebenfalls haben wollten.
»Ich möcht dich wirklich gern haben, King«, sagte Manny Lopez. »Aber ich kann keinen zwingen, die Personalbestände aufzustocken.« Dann meinte er grinsend: »Du mußt warten, bis einer von uns umgelegt wird.«
Und wahr und wahrhaftig, Ken Kelly wurde noch vor Ende des Monats zur BARF Squad versetzt. Es wurden nämlich gleich zwei von ihnen umgelegt.
11. KAPITEL
Drachen
A uf alten Landkarten wurden bestimmte Gebiete von den Kartographen zuweilen mit einer Warnung eingegrenzt: »Jenseits von hier gibt es Drachen.«
Gegen Ende März spielte sich in den Köpfen einiger Barfer ein merkwürdiger Prozeß ab. Sie hatten das Gefühl, als wären die wenigen Quadratmeilen, in denen die Canyons lagen und die von der amerikanischen Regierung und der Stadt San Diego ehemals stillschweigend den Halsabschneidern überlassen worden waren, längst ihr Territorium, ihr Tummelplatz, ihr umkämpftes Stück Erde, auf dem sie beweisen wollten, daß … ja, was denn eigentlich? Sie wußten es inzwischen wohl selbst nicht mehr so genau. Aber jeder schien irgendwie darauf aus zu sein, sein eigenes Schäfchen ins Trockene zu bringen. Dabei hatten sie im März allerdings gar nicht so sehr viel Zeit, solche Gedanken zu Ende zu denken; genaugenommen hatten sie nämlich viel mehr damit zu tun, von Fall zu Fall herauszufinden, was ihr Anführer im Schilde führte.
Manny Lopez war umtriebig und rastlos, und er hatte offenbar nichts anderes im Sinn, als sie dauernd auf die Probe zu stellen, zu maßregeln, zu loben, zu beschimpfen oder zumindest anzumeckern. Es war zwar nicht seine Art, seine Leute öffentlich zu demütigen, wenn sie in den Canyons was vermasselt hatten. Aber ein Punkt, in dem sich ein aus Mexiko stammender Amerikaner grundsätzlich kaum von einem echten Mexikaner unterscheidet, ist nun mal sein machismo -Komplex. Auf der einen Seite der Grenze gehört es zu den schmutzigsten Beleidigungen, einen Mann einen puto oder einen maricon zu nennen, eine Tunte oder einen Homo, und mit dem Ausdruck »queer«, der im amerikanischen Sprachgebrauch dasselbe bedeutet, kann man jemandem ebenso unverzeihlich die Ehre abschneiden. In früheren Zeiten hat einzig und allein die unbedachte Beschimpfung »Eres un puto!«, ein bestimmter Mann sei ein Schwuler, bei
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