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Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Dann sagte er: »Großmutter Zhao, diese Arbeit war für dich kein Zuckerschlecken.«
    Ich beeilte mich, noch einen Kotau zu machen und sagte: »Exzellenz, ich liebe meinen Beruf. Mit der Arbeit meiner Hände darf ich die Macht des Hofes repräsentieren. Dafür schätze ich mich überglücklich.«
    »Zhao Jia, wenn ich dir eine Stelle in meinen militärischen Diensten anbieten würde, würdest du sie annehmen?«
    »Ich würde mich niemals der Ehre, in Eure Dienste treten zu dürfen, verweigern, aber ich bin nun schon seit über vierzig Jahren im Tribunal des Justizministeriums angestellt, wo ich persönlich neunhundertsiebenundachtzig Personen exekutiert habe, die Hinrichtungen, denen ich lediglich als Assistent beigewohnt habe, nicht mitgezählt. Der Staat hat mir in vielfältiger Weise seine Gnade erwiesen, und ich sollte mich bis ans Ende meines Lebens mit aller Kraft meiner Aufgabe widmen. Nichtsdestotrotz leide ich seit der Hinrichtung des Tan Sitong und fünf weiterer Verbrecher unter so großen Schmerzen im Handgelenk, daß ich manchmal nicht einmal mehr meine Eßstäbchen halten kann. Worum Euch Euer Diener gerne bitten möchte, ist, den Dienst quittieren und in seine Heimat zurückkehren zu dürfen. Ich wäre dankbar, wenn sich Exzellenz in diesem Sinne für mich bei den entsprechenden Personen im Justizministerium verwenden könnte.«
    Yuan Shikai stieß ein zynisches Lachen aus, das mich verunsicherte.
    »Exzellenz, ich verdiene den Tod. Ich bin nur ein einfacher Mann des Volkes, der sich nicht einmal die Zugehörigkeit zu den neun Rängen der untersten Gesellschaftsklasse verdient hat, ich bin und bleibe ein Hund und habe nicht das geringste Recht, Exzellenz um einen Gefallen zu bitten. Dennoch möchte ich Euch bitten zu bedenken, daß ich selbst zwar völlig unbedeutend bin, mein Metier aber ist es keineswegs. Meine Arbeit steht für das Prestige dieser Dynastie. Es mag noch viele Gesetze geben  – ihre Anwendung ist letztendlich meinen Händen anvertraut. Ich und meine Kollegen beziehen keine jährlichen Zuwendungen und auch kein monatliches Salär, wir sind vom Verkauf getrockneter Würste aus dem Fleisch der Hingerichteten an die Kräuterapotheken abhängig, um unser Auskommen zu sichern. Ich habe über vierzig Jahre für das Justizministerium gearbeitet, ohne einen Groschen beiseite legen zu können. Alles, was ich mir erhoffe, ist die Gewährung eines Altersruhegeldes, damit ich nicht als Bettler ende. Ich möchte mir auch erlauben, mich dafür zu verwenden, daß meinen Kollegen in Zukunft aus Gründen der Gerechtigkeit ein monatliches Einkommen gewährt wird und sie damit anderen Angestellten des Ministeriums gleichgestellt werden. Es geht mir nicht nur um mich, sondern auch um die anderen. Meine Wenigkeit ist der Meinung, daß die Arbeit der Henker unverzichtbar für den Fortbestand dieses Staates ist. Gegenwärtig befindet sich das Land in einer Krise, rebellische Beamte und aufrührerisches Volk sind Legion. Das bedeutet, daß der Staat mehr denn je auf versierte Henkermeister angewiesen ist. Ich riskiere mein Leben, um diese Bitte vorzubringen und hoffe auf Eure Gnade!«
    Nachdem ich meinen Vortrag beendet hatte, machte ich erneut Kotaus vor Seiner Exzellenz und harrte anschließend auf Knien seiner Reaktion. Ich sah, wie er sich über den pechschwarzen Schnauzbart strich. Sein Gesichtsausdruck war entspannt, als sei er in eine tiefe Meditation versunken. Plötzlich lachte er auf.
    »Großmutter Zhao, du bist nicht nur ein tüchtiger Mann, du verstehst dich auch aufs Reden.«
    »Ich verdiene den Tod, und dennoch ist jedes Wort, das ich gesagt habe, wahr. Nur weil ich weiß, daß Ihr ein weitsichtiger Mann seid, habe ich gewagt, diese Bitte vorzutragen.«
    »Zhao Jia«, Yuan senkte unvermittelt seine Stimme und sagte in vertraulichem Ton: »Kennst du mich denn nicht mehr?«
    »Wie sollte ich die würdevolle und erhabene Persönlichkeit Ihrer Exzellenz nicht kennen?«
    »Ich rede nicht von heute, sondern von dem, der ich einmal war. Dreiundzwanzig Jahre war ich alt, als mein Onkel Vizeminister des Justizministeriums war und ich oft zum Studium mit ihm ins Yamen gekommen bin. Hast du mich damals nicht gesehen?«
    »Ich habe schwache Augen und obendrein ein schlechtes Gedächtnis. Tatsächlich kann ich mich an Euch nicht erinnern. Aber ich kann mich an Exzellenz Yuan Baoheng erinnern, ich habe ihm viel zu verdanken ...«
    Ach, wie hätte ich Euer Gesicht vergessen können! Ein flegelhafter

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