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Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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daß Sun Bing mit seinem Gesang Tote wieder lebendig machen kann. Aber das ist nicht alles. Sun Bing kann auch die Lebenden totsingen. Nur einen Menschen, Mutter Qin, hat er wieder zum Leben erweckt, aber die Anzahl derer, die dieser Halunke mit seinem Gesang getötet hat, gleicht den Sternen am Himmel ...« Der Dritte Song kommt näher und nimmt ein Stück des angebrannten Rindfleischs, das neben dem Topf liegt. »Euer Rindfleisch hier hat ja einen eigentümlichen Geruch, ist ...«
    Er hat seinen Satz noch nicht beendet, da sehe ich den Bastard plötzlich in die Luft fliegen, es knallt ohrenbetäubend, dem Dritten Song scheint eine Blume aus dem Kopf zu schießen und er fällt kopfüber in den großen Topf mit dem kochendheißen Öl. Der Geruch von Schießpulver vermischt sich mit dem des im Öl kochenden Sandelholzes. Ich begreife sofort, was geschehen ist: Jemand hat im Dunkeln einen Schuß abgefeuert, und zwar auf mich. Der Dritte Song, dieser gierige Halunke, hat an meiner Stelle daran glauben müssen.

Kapitel 15:
Meiniangs Klage
    »Vater, ach, Vater, mit einem Sandelholzstab werden sie dich durchbohren, hat Zhao Jia gesagt, voller Bestürzung bin ich, unverzagt, zum Yamen gerannt, um mit Qian Ding zu sprechen. Doch das Yamen ist verschlossen, Soldaten halten dort Wache. Links die Garde des Gouverneurs Yuan Shikai, rechts die deutsche Armee des Generals Knobel, hocherhobenen Hauptes und mit vorgereckter Brust, glänzende Mausergewehre in der Hand. Mit drohenden Blicken starren sie mich an, die deutschen Teufel. Und wie sie mich anstarren mit ihren großen Augen, und wie sie die Zähne blecken und mich mit ihren Rufen erschrecken: Hah! und Huh! Mir klopft das Herz, die Beine zittern, nirgends finde ich Halt. Selbst wenn mir Flügel wachsen sollten, käme ich nicht ins Yamen hinein. So stark sind diese Soldaten, so schneidig und entschlossen! Ganz anders als die Soldaten hier. Unsere Soldaten, die kenne ich alle, schon oft habe ich ihnen schöne Augen gemacht. Eine kleine Gefälligkeit und schon ist die höchste Mauer leicht zu überwinden. Doch diese Deutschen! Sie sind so fürchterlich! Nur eine falsche Bewegung und mein Körper ist von Schüssen durchlöchert. Von Ferne also betrachte ich das Gefängnis mit dem blauen Dach, von Ferne sehe ich die große Halle.Tränen tropfen mir auf die Brust, denn ich kann nicht aufhören, an meinen Vater zu denken, der im Gefängnis sitzt. Ach Vater, drücke mich noch einmal an deine Brust. Weißt du noch, wie ich mit dir in der Katzenoper spielte, in Stadt und Land? Alles habe ich gespielt: die Komödiantin, die tugendhafte Frau, den kleinen roten Pfirsich. Hammelbrötchen mit Hammelfleisch haben wir gegessen und Nudeln mit Rindfleisch, und köstliche Fladen frisch aus dem Ofen. All deine schlechten Seiten habe ich vergessen, nur noch die guten kommen mir in den Sinn. Um das Leben meines Vaters zu retten, renne ich mit dem Kopf gegen die Wand! Doch hört! Schon höre ich Lärm in meinem Rücken.«
    »Arie in Dur«
aus der Katzenoper Die Sandelholzstrafe

1.
    Seht nur, wie die Yanzhi-Gasse südwestlich des Yamen von einem Haufen buntgekleideter Gestalten überflutet wird, große und kleine, sympathische und unsympathische. Der Anführer hat sich das Gesicht weiß gepudert und sich den großen Mund mit Rot bemalt, er sieht aus wie der Geist eines Erhängten. Er trägt eine gefütterte Weste mit langen Ärmeln aus roter Seide, die ihm bis über die Knie reicht (wahrscheinlich hat er sie einem Toten gestohlen); darunter sehen seine nackten, schwarzen Beine hervor. Er geht barfuß, er springt auf und ab, er schlägt den Gong in der Hand und hat einen Affen auf der Schulter. Es ist niemand anders als der Siebte Kleine Hou, der zu den Bettlern gehört. Er schlägt dreimal seinen Gong und beginnt, im Ton der Katzenoper zu singen: » Das Fest der Bettler ist ein Freudenfest der Armen ... «
    Seine Stimme, die wie geölt klingt, hat einen ganz besonderen Charme. Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll, wenn man sie hört. Die nachfolgende Bettlerschar stimmt im Chor den Refrain dazu an: » Miau ... miau ... miau ... «
    Die Jüngeren unter den Bettlern ahmen die Melodie der Streichinstrumente nach, wie man sie zwischen den Auftritten hört: »Ligelong, geligelong, geligelong ...«
    Als sie vorüberziehen, juckt es mich, in ihren Gesang einzustimmen, aber heute ist mir einfach nicht zum Singen zumute. Dem Siebten Kleinen Hou geht es da anders als mir. Alle Menschen auf dieser

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