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Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Auszeichnung aus dem Mund Ihrer Majestät ist eine zu große Ehre für mich.« Wieder machte ich einen Kotau.
    »Zhao Jia, du hast für unsere große Dynastie so viele Verbrecher getötet, hast harte Arbeit geleistet, ohne je dafür belohnt zu werden. Außerdem haben sich sowohl Li Lianying als auch Yuan Shikai für dich verwendet. Daher wird der Hof diesmal eine Ausnahme machen. Wir verleihen dir den Rang eines Beamten siebten Grades und entlassen dich in den Ruhestand.«
    Sie warf mir eine Gebetskette aus Sandelholz vor die Füße und sagte: »Das soll dich in einen guten Menschen verwandeln, dich zu einem Buddha machen!«
    Ich machte nur noch Kotaus.
    »Und Ihr, Majestät?« fragte Cixi den Kaiser. »Zhao Jia hat so viele Menschen für Euch getötet, inklusive Eures treuen Reformergesindels, wollt Ihr Euch denn gar nicht erkenntlich zeigen?«
    Ich schielte von unten zum Kaiser hin und sah ihn hastig von seinem Stuhl aufstehen und verunsichert sagen: »Ich habe nichts, was ich ihm geben könnte.«
    »Wie wäre es«, sagte die Kaiserinwitwe kühl, »wenn Ihr ihm den Stuhl anbieten würdet, von dem Ihr Euch gerade erhoben habt?«

6.
    » Der Vater erzählt,
Der Sohn hört zu.
Groß seid Ihr, Vater,
Wahrlich groß.
Geehrt von den höchsten Herrschern,
Groß seid Ihr,
Wahrlich groß.
Auch ich will Henker sein,
Von Euch das Handwerk lernen ...«
    »Duett von Vater und Sohn«
aus der Katzenoper Die Sandelholzstrafe
 
    Es ist tiefe Nacht geworden. Xiaojia sitzt, an die Hüttenwand gelehnt, auf dem weichen Strohlager, mit verklärtem Blick, wie ein großer Hase. Die Flammen aus dem Herd werfen Schatten auf sein jugendliches Gesicht. Er stammelt hin und wieder einen Satz, der unsinnig wirkt und dann auch wieder nicht, den er zwischen meine Erinnerungen und meine Erzählung wirft  – »Vater, was ist die wahre Natur des Kaisers?«  – und der mich aus meinen Erinnerungen in die Gegenwart zurückruft  – »Vater, hat die Kaiserin auch Brüste?«.
    Plötzlich nehme ich einen Geruch nach verbranntem Öl wahr und zucke zusammen: Um Himmels willen! Entsetzlich wird mir klar, daß Öl kein Wasser ist, das einfach verkocht, sondern daß Öl verbrennt! Ich schieße wie der Blitz von meinem Lager auf und sage: »Sohn, komm schnell!«
    Ich springe rasch zum Topf hin, nehme mir keine Zeit, die Zange zu suchen, sondern greife einfach mit den Händen hinein und ziehe die Sandelholzstäbe an ihren Enden heraus. Unter der Lampe sehe ich sie mir genauer an. Sie haben einen schwärzlichen Glanz bekommen und riechen stark, aber offensichtlich sind sie unversehrt. Sie liegen schwer in der Hand. Mit einem weißen Tuch wische ich sie ab und biege und wende sie ein wenig hin und her. Dem Himmel sei Dank, sie sind noch heil! Der Geruch nach Angebranntem stammte wohl vom Rindfleisch. Mit einem Löffel schöpfe ich das Fleisch heraus und lege es zur Seite. Der Dritte Song kommt angerannt und fragt heuchlerisch: »Werter Alter Herr, ist etwas passiert?«
    »Nein«.
    »Dann ist es ja gut.«
    »Alter Song, mein Vater ist Beamter siebten Ranges, ich habe keine Angst mehr vor dir«, mischt sich mein Sohn unvermittelt ein. »Wenn du mich noch einmal ärgerst, jage ich dir eine Kugel in den Kopf!« Mein Sohn zeigt mit dem Finger auf den Dritten Song: »Paff! Dann ist es aus mit dir.«
    »Lieber Bruder Xiaojia, wann hätte ich dich jemals schlecht behandelt?« fragt der Dritte Song heuchlerisch. »Selbst wenn dein Vater kein Beamter siebten Ranges wäre, würde ich es niemals wagen, dich zu ärgern. Deine werte Frau müßte ja nur ein Wort zu Seiner Exzellenz Qian sagen und man könnte meine Knochen einzeln vom Boden auflesen.«
    Ach, mein kleiner Dummkopf, warum gibst du solchen Leuten Gelegenheit, sich über dich lustig zu machen!
    Auf der Bühne und der Plattform sehe ich schattenhaft einige Schergen des Yamen. Ich verkleinere das Feuer unter dem Herd und gieße frisches Öl in den Topf. Sehr vorsichtig lege ich dann meine beiden wertvollen Stäbe wieder hinein. Dabei ermahne ich mich: Zhao Jia, sei vorsichtig! Ein Mann hinterläßt auf dieser Welt nur seinen Namen, der Name ist wie der Ruf der Wildgans, der noch lange nachhallt. Erst wenn du diese Sandelholzstrafe erfolgreich ausgeführt hast, wirst du dich des Titels eines Meisters der Henkerskunst würdig erwiesen. Wenn es schiefgeht, ist dein Ruhm für immer dahin.
    Ich hänge mir die Gebetskette der Kaiserinwitwe um den Hals und blicke zum Himmel. Es gibt nur wenige Sterne, und im

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