Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)
habe ich es vermasselt und der ganze Aufwand war umsonst.
Tränen flossen mir aus den Augen.
Meine Frau aber stieß einen Seufzer aus und sagte: »Du Dummkopf, wann hörst du endlich auf, ein solcher Trottel zu sein?« Sie streckte die Hand aus und schnappte mir das Barthaar weg. Im Nu war es spurlos verschwunden. Mein kostbarer Schatz! Ich weinte nur noch mehr. Sie drückte mich an sich und versuchte, mich zu beruhigen. »Ist ja gut, ist ja gut, sei nicht dumm, komm, ich wieg dich schön in den Schlaf.«
Aber ich wehrte mich. »Mein Tigerbart! Mein Tigerbart!« Während ich den Kang danach absuchte, haßte ich sie aus tiefstem Herzen. »Das wirst du mir büßen!« dachte ich. Mit beiden Händen hielt ich die Lampe hoch, halb weinend, halb fluchend.
Sie sah mich irritiert an, seufzend und kopfschüttelnd. Schließlich sagte sie: »Hör auf zu suchen, hier ist es doch.«
Ich war außer mir vor Freude. »Wo? Wo?«
Sie hielt mir das goldglänzende Haar hin. »Gib schön darauf acht, und wenn du es wieder verlierst, beklage dich nicht bei mir!«
Ich umschloß es fest mit den Fingern, nie wollte ich es wieder loslassen.
Doch warum wollte es nicht funktionieren? Noch einmal fixierte ich meine Frau und machte mich auf das Schlimmste gefaßt – doch nichts geschah. Meine Frau blieb meine Frau.
»Du gutes Dummerchen, hör mir mal zu«, sagte sie. »Meine Mutter hat mir dieselbe Geschichte erzählt. Aber sie sagte, daß dieser Tigerbart nicht zu jeder Zeit seine Kräfte entfaltet, sondern nur in Ausnahmesituationen. Andererseits, bringt er dir denn nicht nur Ärger ein? Was ist das für ein Leben, wenn um dich herum nur Tiere sind? Höre auf mich, nimm deinen Schatz und verbirg ihn an einem sicheren Ort, und wenn du in eine gefährliche Lage kommst, holst du ihn hervor – du wirst sehen, er wird seine Kraft entfalten.«
»Stimmt das, was du da sagst? Du hältst mich nicht zum Narren?«
Sie nickte. »Du bist doch mein geliebter Ehemann, wie könnte ich dich zum Narren halten wollen?«
Ich schenkte ihren Worten Glauben, wickelte den Tigerbart in ein rotes Tuch, das ich fest mit Schnur zuband, und versteckte ihn in einer Wandspalte.
2.
Mein Vater schien die Ruhe selbst zu sein. Er zwang die von Seiner Exzellenz Qian entsandten Amtsdiener tatsächlich zur Umkehr. Vater, du weißt einfach nicht, daß Seine Exzellenz Qian mit allen Wassern gewaschen ist. Ich dagegen weiß es sehr wohl. Der Kleine Kui von der Ölmühle am Ostpaß hat einmal gewagt, gegen seine Sänfte anzuspucken. Da wurde er gleich von zwei Schergen in Ketten gelegt. Nach zwei Wochen gelang es dem Vater des Kleinen Kui, einen Bürgen für ihn zu finden, wofür er über einen Hektar Land verkaufte. Aber von den Beinen des Kleinen Kui war bereits eines kürzer als das andere, er hinkte nur noch die Straße entlang und seine Fußspitze hinterließ sichelförmige Spuren auf den Wegen. Alle nannten ihn den »Ausländer«, weil seine Fußspuren der ausländischen Schrift ähnlich sahen. Wenn man nach diesem Vorfall in Gegenwart des Kleinen Kui von Seiner Exzellenz Qian zu reden anfing, spuckte er verächtlich aus. Aber er wagte es nicht mehr, die Sänfte des Präfekten anzuspucken. Sobald er ihrer angesichtig wurde, zog er den Kopf ein und ergriff die Flucht.
Heute habt Ihr Euch ganz schön Ärger zugezogen, Vater. Ich bin nicht der Klügste, aber was Seine Exzellenz Qian betrifft, da weiß ich Bescheid. Er ist unbestechlich und gnadenlos. Selbst meinen rebellischen Schwiegervater hat er einsperren lassen – warum sollte er bei Euch Gnade walten lassen?
Die Karten stehen schlecht für meinen Vater. Und dabei ist er kein weicher Tofu, er ist ein gepanzerter Wächter des Buddha. Er hat die Welt gesehen und die Köpfe, die er hat rollen lassen, füllen ganze Wagen- und Schiffsladungen. Ein Tauziehen zwischen ihm und Seiner Exzellenz Qian, das wäre ein Kampf zwischen Drache und Tiger – eine durchaus kritische Situation also. Deshalb fiel mir heute Nachmittag mein Tigerbart ein. Hat meine Frau nicht gesagt, er sei jetzt der Talisman, der jedes Unglück von mir abwenden kann? Eilig sprang ich also auf den Kang, und zog das mit rotem Tuch umwickelte Päckchen aus der Mauerritze. Ich wickelte es sorgfältig auf und erblickte wieder das krumme Barthaar mit den goldenen Spitzen. Als ich es mit meiner Hand umschloß, spürte ich, daß es mich in die Handfläche stach wie eine Biene.
Eine weiße Schlange, dick wie Wassereimer, stand vor dem Kang,
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