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Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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wüßte, daß sie eine Schlange ist, dann könnte ich immer noch glücklich ihre Umarmung genießen. Aber wie konnte ich mich jetzt noch an dieser Umarmung erfreuen? Und weshalb sollte ich den Wunsch haben, das wahre Wesen meines Vaters zu erkennen? Ich habe doch keine Verwandten mehr, und mit einer Schlange als Frau bin ich ohne ihn völlig schutzlos.
    Nachdem ich meinen Schatz gut versteckt hatte, ging ich in den Salon. Der Anblick, der sich mir dort bot, ließ mich erschaudern. Auf dem Sandelholzsessel meines Vaters hockte ein graziler, magerer schwarzer Panther! Er musterte mich mit zusammengekniffenen Augen, sein Gesichtsausdruck wirkte vertraut. Es war mein Vater. Er riß seinen großen Rachen auf und strich sich über den Bart. »Sohn, hast du es jetzt verstanden? Dein Vater war der oberste Foltermeister der Qing-Dynastie, der von der Kaiserinwitwe persönlich ausgezeichnet worden ist. Diese große Handwerkskunst darf unserer Familie nicht verlorengehen!«
    Mir klopfte das Herz bis zum Hals. Gütiger Himmel, wie kann denn das möglich sein? Meine Mutter erzählte mir doch, daß jener Mann, der aus dem Nordosten zurückkam, als er den Tigerbart versteckte, auch keine Tiere mehr sah. Warm sah ich diesen schwarzen Panther? Mein Sehvermögen mußte beeinträchtigt sein. Oder die übernatürliche Kraft des Tigerbarts wirkte nach. Es war schon Strafe genug, daß meine Frau eine weiße Schlange war. Wenn jetzt auch noch mein Vater zum Panther wurde, dann gab es für mich keinen Grund zum Leben mehr. Ich stürmte Hals über Kopf in den Garten, holte mir frisches Brunnenwasser herauf, wusch mir das Gesicht im Eimer und steckte zu guter Letzt meinen Kopf, der mir von all den seltsamen Vorfällen an diesem Morgen angeschwollen war, ganz hinein.
    Dann ging ich zurück in den Salon und stellte fest, daß auf dem Sessel aus Sandelholz noch immer der schwarze Panther saß und nicht mein Vater. Er warf mir verächtliche Blicke zu, die von großer Unzufriedenheit zeugten. Auf seinem pelzigen Kopf saß eine rote Kappe, darunter sah ich seine aufgestellten, behaarten Ohren. Ein Dutzend langer Barthaare, die wie Eisennadeln aussahen, wuchsen rechts und links von seinem großen Maul. Er fuhr sich mit seiner riesigen, rauhen Zunge genüßlich schmatzend über Nase und Unterkiefer, dann entblößte er gähnend seinen leuchtendroten Rachen. Er trug ein langes Gewand mit einer kurzen, bunten Beamtenjacke darüber. Aus den breiten Ärmeln ragten zwei fleischige Pranken hervor, die so komisch aussahen, daß ich nicht wußte, ob ich lachen oder weinen sollte. Geschmeidig ließ er eine Gebetskette aus Sandelholz durch diese Pranken gleiten.
    Meine Mutter sagte immer: Ein Tiger, der eine Gebetskette hält, kann kein tugendhafter Mensch sein. Und was ist mit einem Panther, der eine Gebetskette hält?
    Ich ging langsam rückwärts, am liebsten wäre ich gerannt. Die Ehefrau eine weiße Schlange, der Vater ein schwarzer Panther  – nein, in dieser Familie konnte man nicht bleiben. Diese beiden hatten mich in der Hand. Selbst wenn sie mir weiterhin freundlich gesonnen waren und nicht beabsichtigten, mich zu fressen, konnte ich diese ständige Furcht vor ihnen nicht aushalten. Um nicht ihren Argwohn zu erregen, versuchte ich, mir ein gequältes Lächeln abzuringen. Wenn mein Verhalten ihnen nicht paßte, würde es kein Entkommen mehr geben. Der Panther war zwar alt und ein wenig eingerostet, aber seine beiden Hinterläufe wirkten sehr kräftig und elastisch. Mit einem einzigen Satz sprang er sicher drei Meter weit. Und obwohl seine Zähne alt waren, würde ein sanfter Biß mit diesen beiden langen, eisernen Fangzähnen genügen, um mir die Kehle durchzubeißen. Gelang es mir, seinen Angriff abzuwehren, so würde mich doch die große weiße Schlange nicht entkommen lassen. Meine Mutter sagte immer: »Eine von einem Dämon besessene Schlange ist schon ein halber Drache.« Sie ist schneller als das schnellste Rassepferd. Meine Mutter erzählte, daß sie einmal mit eigenen Augen eine armdicke, tragstangenlange Schlange sah, die ein Rehkitz jagte. Das Kitz schoß davon wie ein Pfeil, der von der Sehne schnellt. Und die Schlange? Sie folgte ihm durch das Gras wie ein rauschender Orkan, und als sie es erreichte, verschlang sie es in einem Stück. Meine Frau war bestimmt genauso schnell, obwohl sie so breit war wie ein Wassereimer. Wie sollte ich mit ihrer Geschwindigkeit mithalten können?
    »Xiaojia, wo willst du hin?« tönte eine sonore Stimme

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