Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)
liefern, nicht Hundefleisch.«
Sie knirschte mit den Zähnen. »Wer hat das gesagt?«
»Das geht dich gar nichts an. Man sagt es eben.«
Sie sagte: »Gut, Xiaojia. Wenn ich dir einen Tigerbart besorge, hörst du dann auf, mir auf die Nerven zu gehen?«
Ich antwortete mit einem breiten Grinsen.
Am nächsten Tag hatte mir meine Frau tatsächlich den Tigerbart herbeigeschafft. Sie legte mir das goldgelbe Haar in die Hand und sagte: »Da hast du es, paß auf, daß es dir nicht davonfliegt!« Und dann brach sie in Lachen aus.
Ich umklammerte das Barthaar und mein Herz raste. So einfach war es also gewesen? Sorgfältig inspizierte ich den Schatz. Das Barthaar war wirklich krumm und goldgelb, wie Onkel He es beschrieben hatte, und es kitzelte mich am Handgelenk. Zu meiner Frau sagte ich: »Jetzt laß mich sehen, in welches Tier du dich verwandelt hast.«
Sie leckte sich kokett die Lippen und sagte verschmitzt: »Bin ich ein Phönix oder ein Pfau?«
»Onkel He sagt, du bist ein weißer Tiger!«
Die Farbe wich aus ihrem Gesicht, und sie fauchte zornig: »Dieses verkommene Schandmaul also war es! Daß ich den nicht gleich morgen von meinem Patenonkel einsperren und ihm zweihundert Hiebe mit dem Bambusrohr verpassen lasse, damit er lernt, wie sich gebratenes Fleisch mit Bambussprossen anfühlt!«
Den Tigerbart in der Hand hielt ich die Lampe hoch, um meine Frau besser sehen zu können. Ich war ganz aufgeregt. Gott im Himmel, nun werde ich die wahre Natur meiner Frau erkennen. Ist sie ein Schwein? Ein Hund? Ein Hase? Ein Schaf? Ein Fuchs? Ein wildes Tier vielleicht? Soll sie werden, was sie will – bloß keine Schlange. Seit meiner Kindheit habe ich Angst vor Schlangen, und seit ich erwachsen bin sogar noch mehr. Wenn ich nur versehentlich auf ein Strohseil trete, springe ich vor Schreck einen halben Meter in die Luft. Meine Mutter sagte, Schlangen werden als Frauen wiedergeboren, und gerade die schönsten Frauen verwandeln sich oft in Schlangen. Wer mit einer Schlange, die sich in eine Frau verwandelt hat, schläft, dem wird über kurz oder lang das Hirn ausgesaugt. Gütiger Gott, bewahre mich! Meine Frau darf sein, was sie will, und wenn sie eine Erdkröte ist oder meinetwegen ein Gecko – nichts kann mich schrecken. Wenn sie eine Schlange ist, packe ich meine Schlachtermesser und ziehe aus. Mit diesen Gedanken musterte ich also meine Frau. Sie hatte absichtlich den Docht ganz lang gezogen, so daß die Lampe aufflammte wie eine Granatapfelblüte und das ganze Zimmer mit einem hellen Schein erfüllte. Ihr Haar schimmerte blauschwarz, als hätte sie es gerade mit Sojaöl eingerieben. Ihre Stirn leuchtete wie eine weiße Porzellanvase. Die schön geschwungenen Augenbrauen erinnerten an Weidenblätter. Wie aus einer weichen Lotuswurzel geschnitzt war ihr schneeweißes Näschen. Ihre Augen feuchtglänzend, zwei dunkle Trauben, in Eiweiß schwimmend. Ihr Mund war etwas zu groß und von natürlichem Rot. Rechts und links davon zwei kleinen Grübchen, die an frische Wasserkastanien denken ließen. So sehr ich mich auch anstrengte, ich sah kein Tier in ihr.
Meine Frau verzog das Gesicht. In sarkastischem Ton fragte sie: »Siehst du etwas oder nicht? Na sag schon, in welches Tier habe ich mich verwandelt?«
Ich kratzte mich ungläubig am Kopf und sagte: »Ich kann es nicht erkennen. Du bist immer noch du. Was ist los mit diesem Tigerbart?«
Sie streckte einen Finger aus und tippte mir an die Stirn. »Ein Dämon hat dir den Verstand benebelt. Dein ganzes Leben verdirbst du dir wegen eines Barthaars, nur weil dir deine Mutter irgendeine dumme Geschichte erzählt hat. Gibst du jetzt endlich Ruhe?«
Ich schüttelte den Kopf und sagte: »Wie könnte meine Mutter mich betrogen haben? Mögen alle mich zum Narren halten auf dieser Welt – meine Mutter bestimmt nicht.«
Sie sagte: »Warum siehst du dann nichts? Ich habe keinen Tigerbart in der Hand und kann auch so erkennen, was deine ursprüngliche Natur ist – du bist die Reinkarnation eines Schweins, eines großen, dummen Schweins.«
Ich wußte, daß sie mich nur ärgern wollte. Denn wie sollte sie ohne Tigerbart in der Lage sein, meine wahre Gestalt zu erkennen? Doch warum entwickelte das Haar in meiner Hand keine magischen Kräfte? Warum verweigerte mir das Kleinod seine magischen Kräfte? O weh! Onkel He hatte doch gesagt, wenn ich seinen Namen nenne, sei es aus mit dem Zauber. Und jetzt habe ich seinen Namen fallenlassen! Verflucht sei ich. Zu blöd, jetzt
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