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Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Bing auslieferte, so seien Ihm Seine Fehler dank seines verdienstvollen Einsatzes vergolten!«
    Ich machte einen Kotau nach dem anderen: »Ich danke Exzellenz für seine Gunst ...«
    Aber er war noch nicht fertig. »Das Sprichwort sagt: ›Wenn du einen Menschen schlägst, schlage ihm nicht ins Gesicht, wenn du einen Menschen bloßstellst, stelle nicht seine Fehler bloß.‹ Du hast diesem Menschen ohne jeden Grund zwei Zähne ausgeschlagen. Wenn ich dich so einfach begnadige, wird Großmutter Zhao nicht einverstanden sein, fürchte ich. Machen wir es so: Du machst zweimal den Kotau vor der Großmutter und dann gibst du ihm noch zwanzig Pfund Silbergeld, damit er sich die Zähne machen lassen kann.«
    Gnädige Frau, jetzt wissen Sie, wie viele Demütigungen ich heute habe über mich ergehen lassen müssen. Wie soll man sich nicht den Kopf stoßen, wenn man unter einem niedrigen Dachvorsprung steht? Ich habe also die Zähne zusammengebissen und habe mich niedergekniet, das Herz schien mir zu bersten und meine Augen weinten Blut, und mir zwei Kotaus vor diesem Hurensohn abgerungen ...
    Er nahm meine Huldigung mit einem selbstzufriedenen Lächeln entgegen und hatte noch die Unverschämtheit, zu mir zu sagen: »Exzellenz, die Familie meiner Wenigkeit ist bettelarm und lebt von der Hand in den Mund. Wir hoffen sehr, daß Ihr uns die zwanzig Pfund Silbergeld alsbald zukommen laßt.«
    Seine Worte ließen Seine Exzellenz Yuan in ein schallendes Gelächter ausbrechen. Yuan Shikai, Exzellenz Yuan, du alter Bastard, hast plötzlich das Gebaren eines Ausländers angenommen und diffamierst in schönem Einvernehmen mit einem Henker deinen Untergebenen. Ich werde in den Listen der ausgezeichneten Absolventen der höchsten kaiserlichen Beamtenprüfung geführt. Ich bin ein vom Hof bestallter Beamter. Wenn Ihr die Vornehmsten des Landes mißachtet, beleidigt Ihr dann nicht den ganzen Beamtenstand? Es mag so aussehen, als sei das Ziel Eurer gemeinschaftlichen Demütigung bloß der kleine Präfekt von Gaomi, tatsächlich aber beleidigt Ihr die Ehre der Großen Qing-Dynastie selbst!
    Jener gelbgesichtige Dolmetscher hatte General Knobel auf seiner Empore alles übersetzt, was unten geredet wurde, worauf dieser kaltblütige Menschenschlächter in ein noch größeres Gelächter ausbrach als Seine Exzellenz Yuan. Werte Dame, Euren Gatten haben sie heute zum Affen gemacht. Was für eine Schmach! Werte Dame, laßt mich trinken, laßt mich mich zu Tode saufen. Exzellenz Yuan, kennt Ihr denn nicht die Bedeutung des Sprichworts: »Einen Gelehrten kann man töten, aber nicht beleidigen«? Seien Sie unbesorgt, meine Dame, ich werde mich nicht umbringen. Mein kleines Leben wird früher oder später der Großen Qing-Dynastie geopfert werden  – aber noch ist es nicht soweit.
    Nachdem sich der elende Henker des Wohlwollens Seiner Exzellenz Yuan versichert hatte, setzte er sich in hochmütiger Selbstgefälligkeit auf seinen roten Sandelholzsessel. Ich selbst stand am Rande der Halle wie ein Diener. In mir tobte ein Sturm, das Blut schoß mir heiß in den Kopf, in meinen Ohren dröhnte es und mir schwollen die Hände an. Am liebsten wäre ich dieser Bestie an die Gurgel gesprungen, doch ich wagte es nicht. Eine Memme bin ich, ich weiß. Ich zog den Hals ein, zuckte mit den Schultern und rang mir ein Lächeln ab. Ja, ich bin eine Witzfigur ohne Gesicht, ohne Rückgrat, ohne Scham und ohne Ehrgefühl! Gnädige Frau, wie tief ist Ihr Mann gesunken!
    Seine Exzellenz Yuan fragte das Scheusal: »Großmutter Zhao, es muß schon gut ein Jahr her sein, daß Ihr Tianjin verlassen habt.«
    »Acht Monate, Exzellenz«, entgegnete er.
    »Wißt Ihr, warum man Euch hergebeten hat?«
    »Das weiß meine Wenigkeit nicht, Exzellenz«, sagte er.
    »Wißt Ihr, warum Euch die Kaiserinwitwe eine Audienz gewährt hat?«
    »Soweit meine Wenigkeit von Hofverwalter Li erfahren hat«, erwiderte das Scheusal, »hat sich Euer Exzellenz Yuan bei der Kaiserinwitwe für mich verwendet.«
    »Wir beide ziehen schließlich am selben Strang«, sagte Seine Exzellenz Yuan.
    »Euer ergebener Diener wird Seiner Exzellenz seine große Gunst nie vergessen.« Das Scheusal erhob sich, machte einen Kotau vor dem Provinzgouverneur und nahm wieder auf seinem Stuhl Platz.
    Seine Exzellenz Yuan sagte: »Ich habe Euch gebeten herzukommen, weil ich Euch bitten will, Euch im Namen dieser Präfektur  – und selbstverständlich im Namen des kaiserlichen Hofes  – einer besonderen Aufgabe

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