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Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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anzunehmen.«
    »Mir ist nicht bekannt, mit welcher Aufgabe Seine Exzellenz mich zu betrauen gedenkt.«
    Seine Exzellenz Yuan lächelte: »Liegt das nicht nahe bei einem so fähigen Henkermeister wie Euch?«
    »Exzellenz, erlaubt mir, ehrlich zu sein. Seit der Ausführung der Strafe in Tianjin leide ich unter entzündeten Handgelenken und bin nicht mehr in der Lage, das Schwert zu führen.«
    Seine Exzellenz Yuan lachte spöttisch: »So kannst du also einen schweren Stuhl heben, aber kein Schwert? Ist es möglich, daß du nach dieser Audienz bei der Kaiserinwitwe sogleich zu einem Buddha geworden bist?«
    Das Scheusal ließ sich von seinem Drachenstuhl gleiten und kniete nieder. »Exzellenz, meine Wenigkeit würde sich niemals eine solche Anmaßung erlauben. Ich bin nicht mehr wert als ein räudiger Hund oder ein Schwein, wie könnte ich jemals ein Buddha werden?«
    Seine Exzellenz Yuan antwortete zynisch: »Ja, wenn du ein Buddha werden könntest, dann könnte so allerhand Geschmeiß ein Buddha werden.«
    »Ihr habt recht, Exzellenz«.
    »Du weißt von der Revolte des Sun Bing?«
    »Nachdem ich in meine Heimat zurückgekehrt bin, verbrachte ich meine Zeit im Haus hinter geschlossenen Türen. Ich weiß nichts von den Vorgängen draußen.«
    Seine Exzellenz Yuan fragte weiter: »Ich habe vernommen, daß Sun Bing zu den nächsten Angehörigen deines Sohnes gehört?«
    »Meine Wenigkeit ging in der Hauptstadt seiner Pflicht nach. Seit Dutzenden von Jahren war ich nicht mehr in meinem Heimatort. Diese Ehe wurde von meiner verstorbenen Frau arrangiert.«
    »Sun Bing hat die Rebellen der Boxerbewegung um sich geschart und den Mob zur Revolte angestiftet. Das hat zu Konflikten mit zahlreichen Staaten geführt und Ihre Majestäten den Kaiser und die Kaiserinwitwe in arge Bedrängnis gebracht. Sagt, verdient ein solches Verbrechen gemäß unseren Gesetzen nicht Vergeltung bis ins neunte Glied der Familie?«
    »Euer ergebener Diener erhält lediglich Befehle und führt Strafen aus. Mit dem Gesetz ist er nicht vertraut.«
    »Gemäß dem Gesetz«, sagte Seine Exzellenz Yuan, »schließen die neun Glieder der Familie auch dich ein.«
    »Ich bin erst vor einem halben Jahr in die Heimat zurückgekehrt. Ich bin diesem Sun Bing nie begegnet.«
    Seine Exzellenz Yuan wurde deutlicher: »Des Menschen Herz ist aus Eisen, und die Gesetze sind sein Schmiedeofen. Seit dem vergangenen Jahr haben die Boxer ein großes Chaos angerichtet. Sie haben in Rachefeldzügen Ausländer getötet und große internationale Konflikte provoziert. Im ganzen Land herrschen katastrophale Verhältnisse. Beijing wurde von den ausländischen Besatzern eingenommen und wir befinden uns in einer schweren Krise. Sun Bing haben wir gefaßt, aber seine Genossen auf dem Land sind weiterhin zum Kampf entschlossen. Das Volk von Shandong ist kühn und tapfer, aber im Landkreis Gaomi haben wir es mit einer besonders aufrührerischen Spezies zu tun. In dieser Situation, in der sich unser Land in Gefahr und am Rande eines Krieges befindet, müssen wir zu drastischen Strafen greifen, um das Volk in Schach zu halten. Die Präfektur hat dich heute zu sich gerufen, um unsere alte Verbundenheit zu erneuern. Aber auch aus einem weiteren Grund: damit du dir für Sun Bing eine Strafe ausdenkst, die das gemeine Volk das Fürchten lehrt und ihm als abschreckendes Beispiel dienen soll.«
    Ich konnte sehen, wie nach diesen Ausführungen auf einmal ein heller Schein in den Augen des Scheusals aufleuchtete wie ein glühendes Eisen im Schmiedeofen. Seine seltsamen kleinen Hände zuckten wie zwei Tierchen unruhig auf seinen Knien. Mir war klar, daß der Mann nicht vor Furcht zitterte. Es gab mit Sicherheit nichts auf dieser Welt, was diesen Menschenschlächter aus der Fassung bringen konnte. Nein, er zitterte vor freudiger Erregung, wie ein Wolf, wenn er das Schaf wittert. Obwohl in seinen Augen ein mörderischer Glanz lag, blieben seine Worte respektvoll und moderat. Er war nichts weiter als ein grobschlächtiger und ungebildeter Scharfrichter  – doch offenbar bestens vertraut mit sämtlichen Feinheiten des höfischen Vokabulars. Er wußte sein Unwissen gut hinter Zurückhaltung zu verbergen, er verstand es, die Schlinge zu lockern, um sie gleich darauf nur um so fester zuzuziehen, den Stärken des Feindes auszuweichen und ihn bei seinen Schwächen zu packen. Mit gesenktem Kopf sagte er: »Exzellenz, meine Wenigkeit ist ein Mann fürs Grobe, der sich nur darauf versteht, Strafen gemäß

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