Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)
Ihr seid nun mal nicht die Kaiserinwitwe Cixi und ich bin nicht Li Lianying! Nur weil ich einmal Eure drei armseligen grauen, stinkenden Hundezotteln gekämmt habe, meint Ihr schon, ich würde nun mein Leben lang für Euer Glück beten. Ihr benehmt Euch wie die Katze, die den Fisch gekostet hat, wie ein Junggeselle, der auf den Geschmack gekommen ist und nicht genug bekommen kann. Ihr meint wohl, weil Ihr mir Geld gegeben habt, könnt Ihr nun nach Lust und Laune über mich verfügen. Was meint Ihr eigentlich, wer Ihr seid? Mit einer Riesenwut im Bauch stieg ich vom Kang herunter, um ein paar deutliche Worte mit ihm zu reden und ihm seine Flausen auszutreiben. Aber bevor ich noch anheben konnte, meinem Ärger zu Luft zu machen, hob der Alte den Kopf, und ich hörte ihn wie im Selbstgespräch vor sich hinmurmeln:»Wer kämmt eigentlich dem Präfekten von Gaomi die Haare?«
Mir fuhr ein kalter Schauer über den Rücken. Ich fragte mich, ob dieser alte Mistkerl ein Mensch war oder ein böser Dämon, denn wie sonst konnte er darüber Bescheid wissen, daß ich dem Präfekten Qian Ding die Haare kämmte? Als er zu Ende gesprochen hatte, richtete er sich kerzengrade in seinem Stuhl auf und schien mich mit seinen kalten, dunklen Augen zu durchbohren. Mein Zorn verpuffte im Nu, und ich stellte mich artig hinter ihn. Als ich begann, sein widerliches Hundehaar zu kämmen, konnte ich nicht umhin, an das glänzende und glatte, einen feinen Duft verströmende, pechschwarze Haar meines Patenonkels zu denken. Und als ich seinen dürftigen, an ein Mönchsschwänzchen erinnernden kleinen Zopf in der Hand wog, mußte ich unweigerlich an den schweren und fleischigen, großen, kraftvollen Zopf meines Patenonkels denken. Mein Patenonkel streicht mir gerne mit seinem dicken Zopf von oben bis unten über den Körper. Dann ist mir, als würden hundert Klauen sich um mein Herz legen, und sämtliche Poren meiner Haut öffnen und schließen sich in rhythmischen Bewegungen ...
Nichts zu machen, ich muß kämmen und die Suppe, die ich mir selbst eingebrockt habe, auslöffeln. Bei meinem Patenonkel muß ich nur anfangen, ihm die Haare zu kämmen, und schon streckt er die Hand nach mir aus, um mich zu streicheln. Oft kleben unsere Körper schon aneinander, bevor ich mit dem Kämmen fertig bin. Daher konnte ich mir auch nicht vorstellen, daß der alte Mistkerl nicht erregt war. Ich wartete nur darauf, daß sein Penis anfing, sich aufzurichten. Warte nur, Alter, ich sorge dafür, daß du ihn hoch-, aber nicht wieder runterkriegst. Und bis dahin habe ich Euch in der Hand. Bis dahin werde ich Euch die Haare kämmen, bis Ihr durchdreht! Überall erzählt man sich, daß der Alte in seinem Rock Zehntausende von Geldscheinen versteckt hält. Früher oder später werde ich sie Euch entlocken! Die ganze Zeit warte ich, aber der Drecksack kann sich gut beherrschen, bis heute ist noch nichts passiert. Ich glaube allerdings nicht, daß es auf der Welt eine Katze gibt, die keinen Fisch mag. Wir werden sehen, alter Mistkerl, wie lange Ihr es noch aushaltet! Ich öffnete seinen Zopf und kämmte sein dürftiges, dünnes und struppiges Haar. An diesem Morgen waren meine Bewegungen besonders zärtlich. Ich bezwang meinen Ekel und kraulte ihm mit dem kleinen Finger das Ohrläppchen und rieb meine Brustwarzen an seinem Nacken, während ich ihn anflötete: »Vater, sie haben meinen leiblichen Vater gefangengenommen und im Gefängnis des Yamen eingesperrt! Ihr seid doch in der Hauptstadt ein gerngesehener Gast, Ihr genießt hohes Ansehen, bitte setzt Euch für ihn ein!«
Der Alte sagte kein Wort und zeigte nicht die geringste Reaktion. Mir war klar, daß er mich sehr wohl gehört hatte, sich aber einfach taub stellte. So massierte ich seine Schultern und redete weiter, ohne daß er einen Mucks von sich gab. Unmerklich hatte sich das Licht verändert. Die tiefstehende Sonne brachte erst die Messingknöpfe an seiner braunseidenen, kurzen Mandarinjacke zum Leuchten, dann seine beiden kleinen Hände, durch die er gemächlich die Sandelholzperlen seiner Gebetskette gleiten ließ. Diese kleinen Hände waren zart und weiß und schienen kaum zu einem Mann, geschweige denn zu einem Mann seines Alters zu passen. Es fiel mir noch immer schwer zu glauben, daß dies die Hände eines Mannes wären, der sein Leben lang unzählige Menschen mit dem Schwert enthauptete.
Ich preßte meinen Körper immer enger an ihn und fuhr mit meinem Gesäusel fort: »Vater, mein leiblicher Vater hat
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