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Die sanfte Hand des Todes

Die sanfte Hand des Todes

Titel: Die sanfte Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbie Taylor
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klingelten, ein Rauschen wie von einem kaputten Fernseher machte sie taub, wie um das Entsetzen zu dämpfen.
    Mrs. Walker.

    Mrs. Walker, die Todesqualen gelitten hatte, weil ihr ein bösartiger Tumor von innen gegen die Wirbelsäule drückte. Mrs. Walker, erschöpft und zittrig trotz der Maximaldosen an Morphium. Ihre Schmerzen hatten sich von Stunde zu Stunde verschlimmert, und niemand hatte verstanden, warum.
    Dawn musste sich am Türrahmen abstützen.
    »Arschloch«, murmelte sie. »Blödes Arschloch.«
    »Warten Sie …«
    »Nein, ich warte nicht. Ich habe Ihnen schon zu viel durchgehen lassen. Aber ich schwöre bei Gott, damit kommen Sie nicht durch.« Der Schlüssel lag immer noch auf dem Waschbecken. »Her damit.« Dawn schnappte sich den Bund. Im selben Moment versuchte Clive, ihr die Ampulle aus der Hand zu reißen.
    »Geben Sie mir das.«
    »Das soll wohl ein Witz sein. Lassen Sie mich bitte vorbei.«
    »Sie verstehen das nicht«, sagte Clive mit heiserer Stimme. »Ich muss das haben. Nehmen Sie die Schlüssel, nehmen Sie sich, was immer Sie wollen. Aber ich brauche diese Ampulle.«
    Er sah krank aus. Sein Gesicht hatte die Farbe von Zement, wirkte aufgedunsen und feucht wie das eines Herzinfarktpatienten. Aber Dawn hatte immer nur Mrs. Walker vor Augen, deren magerer Körper sich vor Schmerz krümmte; ihre eingefallenen Wangen, die vor Verzweiflung und Not weit aufgerissenen Augen. Und Clive hatte es gewusst, die ganze Zeit. Eine Frau war vor Schmerzen fast gestorben, und man hatte ihr nichts als Wasser gespritzt.
    »Ich will Sie heute Abend nicht mehr auf der Station sehen.« Dawn brachte die Worte kaum heraus. »Verschwinden Sie, sofort, sonst rufe ich den Sicherheitsdienst und lasse Sie rauswerfen. Sie haben die Wahl.«

    Sie drehte sich um, aber Clive stellte sich ihr in den Weg. »Geben Sie mir das Morphium, sonst …«
    »Sonst was?« Dawn trat einen Schritt zurück. Sie war so wütend, sie würde Clive einen Schlag versetzen, sollte er es wagen, sie anzurühren. »Oder was ?«
    Clive wich zurück. Er stand schwankend neben dem Waschbecken und ließ den Kopf hängen wie ein verängstigtes Tier; er starrte Dawn aus zusammengekniffenen Augen hasserfüllt an. Das Ekzem in seinem Gesicht leuchtete wie eine rote Ampel.
    »Das wissen Sie doch«, sagte er. »Einen kleinen Vorgeschmack haben Sie schon gekriegt. Aber das ist nichts im Vergleich zu dem, was Sie erwartet, sollten Sie mich verpfeifen.«
    »Sie machen mir keine Angst«, entgegnete Dawn und wandte sich zum Gehen. Sie hielt es keine Sekunde länger in einem Raum mit Clive aus, nicht in dieser stickigen Luft. Wie hatte er hilflosen, kranken Menschen so etwas antun können? Fast konnte sie am eigenen Leib spüren, was die arme Mrs. Walker durchlitten hatte; wie ein Stromschlag bohrte sich der Schmerz in ihr Rückgrat. Man hatte ihr im Altersheim die richtige Menge verabreicht; eine kleine Dosis war alles, was sie brauchte, um sich wohlzufühlen. Aber dann war sie ins St. Iberius eingeliefert worden und hatte nichts mehr bekommen. Dawn wurde übel. Wie hatte sie das übersehen können? Ihre Hände begannen zu zittern. Sie lief zum Lagerraum und öffnete den Tresor, nahm alle Morphiumampullen heraus. Sie waren unbrauchbar. Niemand konnte sagen, welche davon manipuliert worden waren. Und da war noch etwas: Er hatte nicht nur für großes Leid gesorgt, sondern auch das Leben der Patienten aufs Spiel gesetzt. Er hatte die sterilen Ampullen in der Toilette geöffnet und riskiert, dass der Inhalt kontaminiert wurde. Dawn trug alle Ampullen in ihr Büro und schloss sie weg. Sie würde sie
gleich am nächsten Morgen an Claudia Lynch übergeben, zusammen mit einem vollständigen Bericht.
    Lewis wartete immer noch auf ein Schmerzmittel. Dawn riss sich zusammen und rief die Intensivstation an. Möglicherweise konnte sie von dort etwas Morphium kriegen.
    »Ist es euch schon wieder ausgegangen?«, fragte die Nachtschwester fröhlich.
    »Ich fürchte, wir haben eine verunreinigte Charge erhalten.« Die Details gingen nur die Ermittlungsbehörden etwas an. Dawn legte auf und machte sich auf die Suche nach Pam. Sie würde sie bitten, zur Intensivstation hinüberzulaufen und das Morphium zu holen.
    »Haben Sie Clive gefunden?«, fragte Pam.
    »Ja. Es ging ihm nicht gut. Ich habe ihn nach Hause geschickt.«
    »Oh. Ach so«, sagte Pam. »Ich hatte gleich den Eindruck, dass er heute besonders käsig aussah.«
    »Wir beide schaffen das bis morgen früh«, meinte Dawn.

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