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Die sanfte Hand des Todes

Die sanfte Hand des Todes

Titel: Die sanfte Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbie Taylor
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hinter einem strahlenden Lächeln versteckt. Wie geht es dir, Dawn? Du siehst müde aus. Du solltest dir Urlaub nehmen. Sie hatte Dawn förmlich aus dem Krankenhaus gedrängt, um klammheimlich ihren Platz einzunehmen und allen zu beweisen, was für eine wunderbare Oberschwester sie war. Francine hatte nur auf eine Gelegenheit gewartet. Wie alle guten Führungskräfte war auch sie in der Lage, freundlich zu Menschen zu sein, die sie nicht ausstehen konnte. Hatte Dawn nicht hundertmal beobachtet, wie sie die nervösen Chirurgen bei Personalbesprechungen um den Finger wickelte und selbst für solche Typen wie Dr. Coulton ein charmantes Lächeln bereithielt? Sie hatte sich sogar erboten, das Dipyridamol für so einen mürrischen alten Dinosaurier wie Dr. Carmichael zu besorgen, anstatt ihn mit der Tatsache zu konfrontieren, dass das Mittel nicht mehr verfügbar war. Ihre freundliche Maske war im Grunde die reinste Rücksichtslosigkeit; sie manipulierte die anderen, um ihren Willen durchzusetzen. Francine musste bemerkt haben, wie sehr Doras Tod Dawn zugesetzt hatte und dass es nur eine Frage der Zeit war, bis ihr ein unverzeihlicher Fehler unterlief. Dass dieser Fehler dermaßen spektakulär ausfallen würde, hatte natürlich nicht einmal Francine geahnt.
    Der Garten von Haus Nummer 59 war leer. Keine freudige Begrüßung am Tor, keine tapsigen Schritte, die ihr ins Haus
folgten. Dawn warf ihre Schlüssel auf den Wohnzimmertisch und ließ sich aufs Sofa fallen. Sie legte den Kopf in den Nacken. Irgendetwas an der Unterhaltung mit Mrs. Cummings hatte sie aufhorchen lassen; sie war aber zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt, um weiter darüber nachzudenken.
    Und nun? Sich mit Francine anzulegen war etwas vollkommen anderes, als Clive oder Dr. Coulton zu beschuldigen. Francine wurde allseits geachtet. Man würde ihr glauben, wenn sie eine Aussage machte und beschrieb, was sie gesehen hatte. Dann stünden Dawns Chancen, sich herauszureden und die Sache auszusitzen, mehr als schlecht. Sie schloss die Augen. Eines war gewiss: Sie würde bald wieder von Francine hören.
    Plötzlich klingelte es an der Tür.
    Dawn schlug die Augen auf und starrte an die Zimmerdecke. Das war sicher Eileen Warren. Dawn hatte keine Lust, mit der alten Nachbarin über Tomatenpflanzen oder das mangelnde Lauchangebot in den Supermärkten zu plaudern. Langsam drehte sie den Kopf in Richtung Flur. Zu ihrer großen Überraschung erkannte sie hinter den Glasscheiben neben der Tür nicht Eileens schmale Figur mit der Dauerwelle, sondern eine große Gestalt mit breiten Schultern, die den Rahmen fast zur Gänze ausfüllte. Will.
    Sie sprang auf. Ein Teil von ihr sagte: Lass ihn nicht rein. Du solltest ihn heute nicht treffen, du bist zu verletzlich . Sie war in einem furchtbaren Zustand und konnte jeden Augenblick zusammenbrechen oder ihm gar die ganze Geschichte beichten. Und später würde sie es bereuen. Dennoch ging sie auf die Tür zu. Sie würde sich zusammenreißen. Will war der einzige Mensch, den sie jetzt sehen wollte. Er würde keine Fragen stellen, sich kein Urteil bilden, einfach nur da sein, die Leere ausfüllen.
    Sie öffnete die Tür.

    »Hallo!« Will wirkte ungepflegt. Seine Krawatte saß locker und war zur Seite gezogen, sein zerknittertes Sakko hing über seinem Arm. Unter seinen Achseln zeichneten sich Schweißflecken ab.
    »Ich habe mich verspätet«, sagte er. »Es hat einen Unfall gegeben, überall waren Polizisten. Die Hälfte der Straßen ist gesperrt. Ich musste das Auto in Norbury stehen lassen und den Rest der Strecke zu Fuß gehen.«
    Sein Gesicht glänzte von Schweiß. Immer wieder rutschte ihm die Brille von der Nase. Er schob sie mit einer Geste zurück, die Dawn mittlerweile lieb und vertraut geworden war. Wie oft würde sie ihn noch dabei beobachten können? Wie lange würde er noch bei ihr bleiben? Der gemeinsame Umzug in den Norden – würde es überhaupt dazu kommen? Egal, wo sie auch hinging, Francine würde sie finden. Will würde die Wahrheit früher oder später erfahren.
    Sie zwang sich, nicht länger sein schweißnasses Gesicht anzustarren.
    »Komm rein«, sagte sie. »Ich wollte gerade Kaffee machen. Möchtest du eine Tasse?«
    »Ja. Etwas zu trinken wäre schön.«
    In der Küche setzte sie Wasser auf und holte die Kaffeedose aus dem Regal. Es war gut, etwas zu tun zu haben; sie war eine ganz normale, entspannte Gastgeberin, die sich über einen ganz normalen Besucher freute. Es war wie eine Valiumtablette:

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