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Die sanfte Hand des Todes

Die sanfte Hand des Todes

Titel: Die sanfte Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbie Taylor
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Straße!«
    Ein rotgesichtiger Mann mit Golfpulli kam keuchend aus dem Haus gerannt, aber der rotbraune Schatten war schon zum Gartentor hinaus. Zum Glück trieb der Wind genau in diesem Moment eine leere Chipstüte über den Bürgersteig; der Hund hielt abgelenkt inne, statt auf die Straße zu laufen.
    »Das ist Gordons Hund«, erklärte Mrs. Cummings. »Wir kümmern uns um ihn, solange Gordon im Krankenhaus ist. Schnell, Martin, sonst wird er noch überfahren!«
    Martin wollte den Hund beim Halsband packen, aber das
Tier, das vor Energie fast platzte, rannte davon. Martin nahm die Verfolgung auf, blieb aber schon nach wenigen Metern stehen, um sich auf die Knie zu stützen und die Backen aufzublasen. Der Hund preschte mit hocherhobenem Schwanz die Straße hinunter, während sich die letzten Sonnenstrahlen in seinem rotbraunen Fell verfingen.

Kapitel 20
    Als sie den Hund endlich mit einem Stück Hühnerbrust zurück zum Haus und in den Garten gelockt hatten, war Dawns Zeit um. Mr. Farnley würde nun jeden Augenblick aus dem Aufwachraum in sein Zimmer gebracht werden. Außerdem wollten die Cummings, immer noch ganz aufgeregt vom Fluchtversuch des Hundes, zurück ins Haus, um sich einen ruhigen Abend zu machen. Dawn stellte in Eile noch ein paar Fragen, nur um sicherzugehen, dass keiner der beiden je von Francine Hartnett gehört hatte. Aus Mrs. Cummings’ Schilderungen entnahm Dawn, dass Mr. Farnley seine Frau schmerzlich vermisste und sich Sorgen um seinen Hund machte; das waren seine größten Probleme. Dawn wusste nicht, was sie sonst noch fragen sollte. Sie war nun ebenso schlau wie zuvor, verabschiedete sich und lief zur Bushaltestelle. Noch auf dem Weg dorthin holte sie ihr Handy aus der Handtasche und rief Daphne auf der Station an.
    »Ist Mr. Farnley schon aus dem OP-Saal zurück?«, fragte sie.
    »Vor ein paar Minuten«, antwortete Daphne. »Er ist noch völlig benommen. Daran wird sich in den nächsten Stunden nichts ändern.«
    Dawn überlegte: Wenn Mr. Farnley den Abend im Dämmerzustand verbrachte, hatte es wenig Sinn, ins Krankenhaus zu fahren. Sie würde ohnehin nicht mit ihm reden können.
    »Und Sie lassen ihn nicht aus den Augen?«, fragte sie.

    »Natürlich nicht«, sagte Daphne leicht pikiert.
    »Okay. Danke, Daphne.«
    Gedankenverloren ließ Dawn ihr Handy zuschnappen. Es wäre zu seltsam, in ihrem Urlaub am Bett eines schlafenden Patienten zu wachen, der nicht einmal auf ihre Station gehörte. Am besten fuhr sie jetzt nach Hause. Nach der Entscheidung fühlte sie sich erleichtert. An Mr. Farnleys Bett hatte sie ein merkwürdiges Gefühl beschlichen, und nun musste sie sich eingestehen, dass sie ihn nur ungern ein zweites Mal aufsuchte. Dawn überquerte die Straße und bestieg den Bus nach Silham Vale. Auf der Heimfahrt wurde sie jedoch wieder vom schlechten Gewissen geplagt. Heute Nacht war Mr. Farnley vielleicht in Sicherheit, denn Daphnes Team hatte ein Auge auf ihn. Man könnte ihn aber nicht ewig bewachen. Irgendwann würde Francine merken, dass Dawn keineswegs vorhatte, ihn zu töten. Und was passierte dann? Würde Francine die Sache in die eigene Hand nehmen? Sie würde eine Gelegenheit finden, sich in einem unbeobachteten Moment zu ihm zu schleichen. Sie verfügte im Krankenhaus fast über ebenso viele Vollmachten wie Dawn.
    Francine . Erschöpft starrte Dawn durch die schmutzigen Fensterscheiben auf die riesige Reklametafel mit der Margarinewerbung. Erst da fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Abgesehen von allem, was passiert war – abgesehen von den bösartigen Mails, von Millys Tod, von der Gefahr, in der Mr. Farnley schwebte –, hatte sie Francine immer für eine Freundin gehalten. Für eine gute Freundin. Dass sie zu so etwas fähig war … das traf Dawn zutiefst. Sie hatten so viel zusammen gelacht. Die fröhlichen Unterhaltungen über den schlechten Instantkaffee in den Schwesternzimmern, die Hilfe, die Francine ihr seit der Beförderung zur Oberschwester hatte angedeihen lassen, und wie sie Dawn
bei Doras Beerdigung beigestanden hatte. Und während der ganzen Zeit hatte sie Dawn gehasst. Dawn erkannte, wie schwierig es für Francine gewesen sein musste, als sie den Posten bekommen hatte, obwohl Francine die erfahrenere Schwester war; Dawn bezog nun ein höheres Gehalt, dabei war Francine diejenige mit den finanziellen Schwierigkeiten, mit kleinen Kindern und einem Ehemann, dem die Arbeitslosigkeit drohte. Aber sie hatte sich nie etwas anmerken lassen und ihre Gefühle

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