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Die sanfte Hand des Todes

Die sanfte Hand des Todes

Titel: Die sanfte Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbie Taylor
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Das Problem wurde nicht gelöst, aber auf später verschoben. Die Kaffeefilter lagen in der Kramschublade. Dawn zog sie auf und sah das Seidenpapier, in das sie Millys Halsband eingeschlagen hatte.
    »Du wirkst müde«, sagte Will vom Küchentisch aus.
    Dawn hielt inne und starrte in die Schublade. Der Inhalt verschwamm vor ihren Augen. Sie blinzelte.
    »Jemand hat mich enttäuscht«, sagte sie.

    »Wer?«, fragte Will.
    »Eine Freundin.« Auf einmal schnürte ein Schluchzer ihr die Kehle zu. »Eine Freundin, die ich von der Arbeit kenne.«
    Will trat hinter sie. Sein warmer, vertrauter Geruch. Sein Schweiß, sein Atem, der nach Pfefferminz roch.
    »Deine Freundin Molly?«, fragte er.
    »Wer?«
    »Die Schwester auf deiner Station. Blondes, krauses Haar? Ein bisschen mollig?«
    »Meinst du Mandy?«, fragte sie.
    »Ja, Mandy, genau. Tut mir leid.«
    Die Kaffeefilter und das Seidenpapier quollen aus der Schublade. Ein einziges Chaos, alles lag wild durcheinander.
    »Woher kennst du Mandy?«, fragte Dawn.
    »Wie bitte?«
    »Woher kennst du Mandy? Wann hast du sie kennengelernt?«
    Will wollte antworten. Dann schien er sich verschluckt zu haben und fing zu husten an. Er räusperte sich mehrmals, schlug sich mit der flachen Hand auf die Brust.
    »Wahrscheinlich hast du sie irgendwann mal erwähnt«, sagte er, als er sich erholt hatte. »Als du mir vom Krankenhaus erzählt hast.«
    »Oh.«
    Sie konnte sich nicht daran erinnern. Wieder ein Hinweis darauf, wie fahrig und unkonzentriert sie in letzter Zeit war. Sie nahm die Kaffeefilter aus der Schublade. Dabei stieß sie gegen Millys Halsband, dessen Ende aus dem Seidenpapier hervorlugte. Wieder sah Dawn vor sich, wie Martin Cummings versucht hatte, den nervösen Hund vor dem Gartentor einzufangen. Sie sah das rotbraune Hundefell, das leuchtend blaue Lederhalsband.
    Er geht mit Boris spazieren , hatte Mrs. Cummings gesagt.

    Dawn runzelte die Stirn und drückte die Schublade zu. Sie legte einen Kaffeefilter ein.
    »Wie stark soll der Kaffee sein?«, fragte sie.
    »Keine Ahnung. Ich trinke immer nur Pulverkaffee, hast du das vergessen?«
    »Ach ja.« Sie war immer noch ganz in Gedanken.
    Zum Glück hat ihn der junge Mann, den er im Park kennengelernt hat, sehr unterstützt …
    Noch eine Erinnerung: Will, wie er mit tropfnassem Haar das Café am Tooting Bec Common betrat. Boris, der um ihn herumtänzelte. Das leuchtend blaue Hundehalsband auf dem rotbraunen Fell.
    Er gehört einem Freund. Im Moment kann er sich nicht selbst um das Tier kümmern, deswegen übernehme ich die Spaziergänge.
    Dawn drehte sich um. Sie hatte gar nicht gemerkt, wie dunkel es in der Küche geworden war. In der Dämmerung wirkte Will plötzlich fremd, wie ein großer, unförmiger Schatten. Sie stand reglos da, die Schachtel mit den Kaffeefiltern in der Hand, und betrachtete ihn.
    Wills Augenbrauen hinter der Brille zogen sich zusammen. »Was ist los?«
    Dawn starrte ihn an. Leise sagte sie: »Du bist es, nicht wahr?«
    »Was?«
    »Du warst da. Auf der Station. Als Mrs. Walker starb.«
    Aber Dawn biss sich auf die Zunge, kaum dass sie die Worte ausgesprochen hatte. Das war doch lächerlich! Sie war dabei, den Verstand zu verlieren. Wen hatte sie nicht alles verdächtigt! Sie war so durcheinander und paranoid, dass sie nicht mehr wusste, wo sich oben und unten befanden.
    »Tut mir leid«, sagte sie, »es geht mir heute nicht besonders …«

    Aber die Worte blieben ihr im Hals stecken, als sie sein Gesicht sah.
    Er stand dicht vor ihr im trüben Abendlicht. Sie rührten sich nicht; nur ihr Atem war zu hören.
    »Wie dumm«, sagte Will. »Wie dumm von mir zu glauben, du würdest es nicht merken.«
    Dawn schnappte nach Luft. Sie suchte nach Halt, klammerte sich am Schubladengriff fest.
    »Ich habe immer schon gewusst, dass du eine intelligente Frau bist«, sagte Will. »Der Tag in Sussex. Als du mich auf mein Humpeln angesprochen hast. Damit wolltest du mir zu verstehen geben, dass du mich im Krankenhaus gesehen hast, stimmt’s?«
    Die Worte klingelten in ihren Ohren. Humpeln. Mandy in der Tagesklinik, die ihr den Rücken zukehrte und gerade mit einem Patienten beschäftigt war. Ein Patient, dessen Bett gegenüber von Mrs. Walkers Zimmer stand, mit freiem Blick auf die Monitore. Aber er konnte unmöglich … Der Abstand hatte mindestens zehn Meter betragen … Will warf ihr aus seinen kleinen Augen einen bohrenden Blick zu. Wir aus den Bergen sehen mehr als andere Menschen.
    Ohne nachzudenken, sagte

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