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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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erfreut, als die nächste Geschichte beginnt, die sein inneres Repertoire erweitert, denn zumindest legt sie den Schluss nahe, dass die Gottheit, die er, Gibril, erfolglos zu töten versucht hat, auch eine Göttin der Liebe sein kann, nicht nur eine Göttin der Rache, der Macht, der Pflicht, der Regeln und des Hasses; und es ist auch so etwas wie eine nostalgische Geschichte von einem verlorenen Heimatland; wie eine Rückkehr in die Vergangenheit… was für eine Geschichte ist das? Einen Moment noch. Um mit dem Anfang anzufangen: Am Morgen seines vierzigsten Geburtstags, in einem Raum voller Schmetterlinge, betrachtete Mirza Said Akhtar seine schlafende Frau…
     
    An dem schicksalsschweren Morgen seines vierzigsten Geburtstags, in einem Raum voller Schmetterlinge, wachte der Zamindar Mirza Said Akhtar über seine schlafende Frau und fühlte, wie sich sein Herz bis zum Zerreißen mit Liebe füllte. Er war ausnahmsweise früh erwacht und vor Tagesanbruch aufgestanden, nach einem schlimmen Traum, der einen bitteren Nachgeschmack in seinem Mund hinterlassen hatte, einen immer wiederkehren den Traum vom Ende der Welt, in dem unweigerlich er die Schuld an der Katastrophe trug. Am Abend zuvor hatte er Nietzsche gelesen - ›Der Mensch, eine kleine, überspannte Tierart, die - glücklicherweise - ihre Zeit hat‹ - und war eingeschlafen, mit dem aufgeschlagenen Buch auf der Brust. Als er in dem kühlen, schattigen Schlafzimmer vom Rascheln der Schmetterlingsflügel geweckt wurde, ärgerte er sich darüber, bei der Wahl seiner Bettlektüre so unvorsichtig gewesen zu sein. Doch jetzt war er hellwach. Er stand leise auf, schlüpfte in seine Chappals und schlenderte gemächlich über die Veranden des großen Herrenhauses, die hinter den geschlossenen Rollläden noch im Dunkeln lagen und die Schmetterlinge tanzten hinter ihm her wie Höflinge. In weiter Ferne spielte jemand Flöte. Mirza Said zog die Rollläden hoch und machte die Schnüre fest. In den Gärten hing noch Nebel, durch den die Schmetterlingswolken wirbelten: Nebelschwaden, die sich mit Nebelschwaden kreuzten. Diese abgelegene Gegend war seit jeher berühmt für ihre Falter, diese wundersamen Geschwader, die die Luft bei Tag und bei Nacht erfüllten, Schmetterlinge mit Chamäleon-Eigenschaften, deren Flügel die Farbe wechselten, je nachdem, ob sie sich auf zinnoberroten Blumen niederließen, ockergelben Vorhängen, Obsidian-Pokalen oder Bernstein-Ringen. Im Hause des Zamindar und auch im nahegelegenen Dorf war das Schmetterlingswunder etwas so Normales, dass es schon banal erschien, aber die weiblichen Dienstboten konnten sich daran erinnern, dass die Schmetterlinge erst vor neunzehn Jahren zurückgekehrt waren. Sie waren - so ging jedenfalls die Legende - die guten Geister einer Heiligen aus dem Dorf gewesen, der heiligen Frau, die man nur als Bibiji kannte, die zweihundertzweiundvierzig Jahre alt geworden war und deren Grab, bis es der Vergessenheit anheimfiel, über heilende Kräfte verfügt und Warzen und Impotenz kuriert hatte. Bei Bibijis Tod vor hundertzwanzig Jahren waren die Schmetterlinge ins selbe Reich der Legende verschwunden wie Bibiji selbst, so dass ihre Rückkehr genau einhundertundein Jahr nach ihrem Verschwinden den Menschen zunächst wie das Omen für ein nahe bevorstehendes Wunder erschien. Nach Bibijis Tod - das sollte schnell gesagt werd en - war es mit dem Dorf weiter aufwärts gegangen, die Kartoffelernte fiel stets reichlich aus, aber in vielen Herzen war eine Leere geblieben, obgleich die jetzigen Dorfbewohner an die Zeit der alten Heiligen keine Erinnerung mehr hatten. So stimmte die Rückkehr der Schmetterlinge viele fröhlich, doch als die erwarteten Wunder sich nicht einstellten, versanken die Einheimischen wieder in die Unzulänglichkeiten des Alltags. Der Name des Herrenhauses, Peristan, hatte seine Ursprünge vielleicht in den Elfenflügeln dieser magischen Wesen, und der Name des Dorfes, Titlipur, stammte sicherlich daher. Doch sobald Namen Allgemeingut geworden sind, werden sie schnell zu bloßem Klang, wird das Wissen um ihre Herkunft, wie so viele Wunder der Erde, unter dem Staub der Gewohnheit begraben. Die menschlichen Bewohner von Titlipur und seine Schmetterlingsschwärme brachten füreinander nur so etwas wie gegenseitige Geringschätzung auf. Die Dorfbewohner und die Familie des Zamindar hatten längst den Versuch aufgegeben, die Schmetterlinge von ihren Heimen auszuschließen, so dass jetzt immer, wenn eine Truhe

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