Die Satanischen Verse
Grauton hatte wie seine Frau, und aus irgendeinem Grund ärgerte ihn auch das, als wäre es ein Beweis dafür, dass die Frauen sich gegen ihn verschworen, sich weiß Gott welche Geheimnisse zuflüsterten: vielleicht plapperten und schnatterten sie ja über ihn! Die häusliche Geschlechtertrennung hatte sich als Reinfall erwiesen; selbst Mrs. Qureishi, der alte Wackelpudding, war auf Aischa hereingefallen. Ein schönes Dreiergespann, dachte Mirza Said; sobald der Hokuspokus zur Tür hereinkommt, verschwindet der gesunde Menschenverstand durchs Fenster.
Und Aischa: wenn sie dem Mirza auf dem Balkon begegnete oder im Garten, wo er herumwanderte und Urdu-Liebesgedichte las, war sie stets ehrerbietig und scheu; aber ihr gutes Benehmen, in dem nicht ein Fünkchen erotischen Interesses erkennbar war, trieb Said nur noch tiefer in ratlose Verzweiflung. Und so kam es, dass er an jenem Tag, als er Aischa in die Gemächer seiner Frau huschen sah und ein paar Minuten später den melodramatischen, schrillen Schrei seiner Schwiegermutter hörte, von einer Anwandlung störrischer Rachsucht ergriffen wurde und absichtlich volle drei Minuten wartete, bevor er nachsehen ging. Im Schlafgemach stand Mrs. Qureishi, raufte sich die Haare und schluchzte wie ein Filmstar, während Mishal und Aischa mit gekreuzten Beinen auf dem Bett saßen, einander zugewandt, graue Augen in graue Augen starrten, und Mishals Gesicht in Aischas ausgestreckten Händen ruhte.
Wie sich herausstellte, hatte der Erzengel Aischa mitgeteilt, dass die Frau des Zamindar unheilbar an Krebs erkrankt war, dass ihre Brüste voll waren von den bösartigen Knötchen des Todes und dass sie nur noch ein paar Monate zu leben hatte.
Dass der Krebs genau an dieser Stelle ausgebrochen war, betrachtete Mishal als Beweis für die Grausamkeit Gottes, denn nur einer boshaften Gottheit konnte es einfallen, Krebs in der Brust einer Frau entstehen zu lassen, deren einziger Traum es war, neues Leben zu nähren. Als Said eintrat, hatte Aischa Mishal eindringlich zugeflüstert: »So darfst du nicht denken.
Gott wird dich retten. Dies ist eine Glaubensprüfung.«
Mrs. Qureishi verkündete Mirza Said die schlimme Nachricht mit viel Gekreisch und Geheul, und für den verwirrten Zamindar war dies der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Er geriet in Wut und begann, laut zu schreien und zu zittern, als würde er im nächsten Moment die Möbel im Raum mitsamt den Bewohnern kurz und klein schlagen.
»Zur Hölle mit deinem Krebs-Gespenst«, schrie er Aischa in seiner Verzweiflung an. »Du bist mit deinem Wahnsinn und deinen Engeln in mein Haus gekommen und hast Gift in die Ohren meiner Familie geträufelt. Verschwinde von hier mit deinen Visionen und deinem unsichtbaren Ehemann. Das hier ist die moderne Welt, und es sind Ärzte und keine Geister in Kartoffelfeldern, die uns sagen, ob wir krank sind. Du hast dieses verfluchte Spektakel für nichts und wieder nichts veranstaltet. Verschwinde und lasse dich nie wieder auf meinem Land blicken.«
Aischa ließ ihn ausreden, ohne Blick und Hände von Mishal zu nehmen. Als Said innehielt, um Luft zu holen, und dabei Fäuste ballte und öffnete, sagte sie leise zu seiner Frau: »Alles wird von uns verlangt werden, und alles wird gegeben werden.«
Als er diese Formel hörte, die die Leute im Dorf schon nachzubeten begannen, als wüssten sie, was sie bedeutete, verlor Mirza Said Akhtar für einen Augenblick den Verstand, hob die Hand und schlug Aischa bewusstlos . Sie fiel zu Boden, blutete, aus dem Mund: ein Zahn hatte sich durch seinen Faustschlag gelockert. Und während sie dalag, schleuderte Mrs. Qureishi ihrem Schwiegersohn alle möglichen Schimpfworte an den Kopf. »O Gott, ich habe meine Tochter einem Mörder anvertraut. O Gott, ein Mann, der Frauen schlägt.
Na los, schlag mich auch, damit du in der Übung bleibst.
Heiligenschänder, Gotteslästerer, Teufel, Unreiner.« Said verließ den Raum, ohne ein Wort zu sagen.
Am nächsten Tag bestand Mishal Akhtar darauf, in die Stadt zurückzukehren, um sich von Kopf bis Fuß untersuchen zu lassen. Said machte ihr seinen Standpunkt klar. »Wenn du dem Aberglauben frönen willst, dann geh, aber erwarte nicht, dass ich mitkomme. Die Fahrt dauert acht Stunden, zum Teufel.«
Noch am selben Nachmittag fuhr Mishal mit ihrer Mutter und dem Chauffeur los, und infolgedessen war Mirza Said nicht da, wo er hätte sein sollen, das heißt, an der Seite seiner Frau, als ihr die Ergebnisse der Tests
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