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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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von irgendwoher oder irgendwem, den sie Gibril nannte. Dann ließ sie ihn dort liegen und kehrte zurück zum Dorf, zu ihrem großen Auftritt.
    Also habe ich jetzt eine Traum-Ehefrau, dringt es dem Träumer ins Bewusstsein . Und was zum Teufel soll ich mit ihr?
    Aber das ist nicht seine Angelegenheit. Aischa und Mishal Akhtar sitzen zusammen in dem großen Haus.
     
    Seit seinem Geburtstag war Mirza Said voll von leidenschaftlichem Verlangen, »als würde das Leben tatsächlich erst mit vierzig beginnen«, staunte seine Frau. Ihr Eheleben wurde so vital, dass die Diener dreimal am Tag die Bettlaken wechseln mussten . Mishal hoffte insgeheim, dass die derart gestärkte Libido ihres Mannes bei ihr zur Empfängnis führen würde, denn sie war der festen Überzeugung, dass Begeisterung dazu gehörte, ganz gleich, was die Ärzte dagegen sagen mochten, und dass sie in den Jahren, in denen sie jeden Morgen vor dem Aufstehen ihre Temperatur gemessen und dann die Ergebnisse auf Millimeterpapier eingetragen hatte, um ihren Eisprung zu ermitteln, in Wirklichkeit die Babys davon abgehalten hatte, geboren zu werden, teils weil es schwierig war, die rechte Leidenschaft aufzubringen, wenn die Wissenschaft mit ins Bett ging, teils aber auch, weil ihrer Ansicht nach kein Fötus mit gesunder Selbstachtung sich wünschen konnte, im Schoß einer so mechanisch vorprogrammierten Mutter zu liegen. Mishal betete immer noch um ein Kind, obwohl sie darüber längst nicht mehr mit Said sprach, weil sie ihm das Gefühl ersparen wollte, in dieser Hinsicht versagt zu haben. Mit geschlossenen Augen, Schlaf vortäuschend, pflegte sie Gott um ein Zeichen zu bitten, und als Said so häufig so zärtlich wurde, fragte sie sich, ob dies nicht vielleicht das erhoffte Zeichen sei. Und daher hatte sie sein seltsames Anliegen, sie möge sich von jetzt an bei ihren Aufenthalten in Peristan »nach alter Sitte« in die Frauengemächer zurückziehen, nicht mit der Verachtung aufgenommen, die es verdiente. In der Stadt, wo sie ein großes und gastfreundliches Haus führten, waren der Zamindar und seine Frau als eines der »modernsten« und »schicksten« Paare der Szene bekannt; sie sammelten zeitgenössische Kunst und gaben wilde Partys und luden Freunde ein, im Dunkeln herumzufummeln, während sie sich Softporno-Videos ansahen.
    Als Mirza Said dann sagte: »Wäre es nicht höchst ergötzlich, Mishu, wenn wir unser Verhalten diesem alten Hause anpassten «, hätte sie ihm ins Gesicht lachen müssen. Statt dessen antwortete sie: »Wie du willst, Said«, denn er gab ihr zu verstehen, dass es sich dabei um eine Art erotisches Spiel handele. Ja, er deutete sogar an, seine Leidenschaft für sie sei so überwältigend geworden, dass sie ihn jederzeit überkommen könne, und wenn dies in aller Öffentlichkeit geschehe, könne es dem Personal vielleicht peinlich sein; in jedem Fall würde dessen Anwesenheit es ihm unmöglich machen, sich auf irgendeine seiner Aufgaben zu konzentrieren, und außerdem, in der Stadt, »werden wir auch weiterhin ganz modern leben.«
    Daraus schloss sie, dass die Stadt für den Mirza voller Ablenkungen war, so dass ihre Chancen zu empfangen, hier in Titlipur am größten waren. Sie beschloss , dort zu bleiben. Und aus diesem Grunde lud sie ihre Mutter zu sich ein, denn wenn sie sich nur in den Frauengemächern aufhielt, würde sie Gesellschaft brauchen. Mrs. Qureishi traf schwabbelnd vor praller Wut ein, entschlossen, ihrem Schwiegersohn solange mit Schimpftiraden in den Ohren zu liegen, bis er diesen Purdah-Blödsinn aufgab, aber Mishal erstaunte ihre Mutter mit der Bitte: »Bitte, tu’s nicht.« Mrs. Qureishi, die Frau des Direktors der Staatsbank, war eine Frau von Welt. »Ach, Mishu, deine ganze Jugend über warst du eine graue Maus, während ich alles mitgemacht habe; und jetzt dachte ich, du hättest dich aus diesem Graben herausgezo gen, aber siehe da, er hat dich wieder voll hineingestoßen.« Schon seit jeher war die Frau des Bankiers der Meinung gewesen, insgeheim sei ihr Schwiegersohn ein alter Geizkragen - eine Meinung, die all die Jahre überdauert hatte, obgleich sie durch keinerlei Beweise bestätigt worden war. Mrs. Qureishi setzte sich über das Veto ihrer Tochter hinweg und ging den Mirza Said suchen, fand ihn in den Parkanlagen, stellte ihn zur Rede und ließ nachdrücklich, wie das so ihre Art war, ihre Leibesfülle erzittern. »Was für ein Leben führst du eigentlich?« wollte sie wissen. »Meine Tochter ist nicht zum

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