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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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dessen schlenderte er eine Weile durch die Flure von Peristan, ließ sich von der Atmosphäre des Hauses verzaubern und war schon bald wieder einigermaßen gutgelaunt.
    Das Haus: trotz seines Elfennamens war es ein stabiles, eher nüchternes Gebäude und nur deswegen exotisch, weil es im falschen Land stand. Vor sieben Generationen war es von einem gewissen Perowne erbaut worden, einem englischen Architekten, der bei der Kolonialverwaltung in hohem Ansehen stand und der seine Häuser stets im neo-klassischen englischen Landhausstil entwarf. Zu jener Zeit waren die Zamindars verrückt nach europäischer Architektur gewesen.
    Saids Ururururgroßvater hatte den Architekten bei einem Empfang des Vizekönigs kennengelernt und ihn schon nach fünf Minuten engagiert, um öffentlich zu zeigen, dass nicht alle indischen Moslems das Vorgehen der Meerut-Soldaten unterstützt oder mit den nachfolgenden Aufständen sympathisiert hatten, nein, keinesfalls; und hatte ihm dann Blankovollmacht erteilt; und so stand Peristan nun hier, inmitten fasttropischer Kartoffelfelder und neben dem großen Banyanbaum, überwuchert von Bougainvillea, mit Schlangen in der Küche und Schmetterlingsskeletten in den Schränken.
    Manche sagten, seinen Namen verdanke es wohl eher dem Engländer als irgendeiner Märchenphantasie: es war eine bloße Verkürzung von Perownistan.
    Nach sieben Generationen begann es endlich auszusehen, als gehörte es in diese Landschaft aus Ochsenkarren und Palmen und hohen, klaren, sternenschweren Himmeln. Selbst das farbige Glasfenster, das auf das Treppenhaus von König Charles dem Kopflosen hinabsah, schien hier auf nicht angebbare Weise eine neue Heimat gefunden zu haben. Nur wenige dieser alten Zamidar-Häuser hatten die egalitären Verwüstungen der Gegenwart überstanden, und daher hing über Peristan etwas von der muffigen Luft eines Museums, obwohl - oder vielleicht weil - Mirza Said sehr stolz auf das alte Gemäuer war und stattliche Summen ausgegeben hatte, um es in gutem Zustand zu erhalten. Er schlief unter einem hohen Baldachin aus bearbeitetem, gehämmertem Messing in einem schiffsartigen Bett, das schon drei Vizekönigen als Liegestatt gedient hatte. Im großen Sa lon nahm er mit Mishal und Mrs. Qureishi gern Platz auf dem ungewöhnlichen, wie eine Drei geformten Sofa. An einem Ende des Raumes stand ein riesiger, aufgerollter Schirazteppich auf Holzklötzen und wartete auf den glanzvollen Empfang, der sein Aufrollen wert wäre, und der doch nie stattfand. Im Speisezimmer standen dicke klassische Säulen mit prunkvollen korinthischen Kapitellen, auf der Haupttreppe zum Haus stolzierten Pfaue, echte und solche aus Stein, und in der Eingangshalle klirrten leise venezianische Kronleuchter. Sogar die alten Punkahs funktionierten noch tadellos; die Schnüre wurden auf Rollen durch Löcher in Wänden und Böden gezogen, bis hoch zu dem kleinen Dienstbotenzimmer, in dem der Punkahwalla saß und an den Schnüren zog, eingesperrt in einen fensterlosen Raum, und übelriechende, stickige Luft einatmen musste , während er die anderen Teile des Hauses mit kühlen Brisen versorgte. Ja, auch die Dienerschaft reichte sieben Generationen zurück und hatte daher die Kunst der Beschwerde verlernt. Hier herrschten noch die alten Sitten: selbst der Süßwarenverkäufer von Titlipur war verpflichtet, die Zustimmung des Zamindar einzuholen, bevor er irgendwelche neuartigen Leckereien, die er vielleicht erfunden hatte, auf den Markt bringen konnte. So hart, wie das Leben unter dem Bany anbaum war, so weich lag man in Peristan; doch selbst gut gepolsterte Existenzen sind vor schweren Schlägen nicht gefeit.
     
    Die Entdeckung, dass seine Frau den größten Teil ihrer Zeit hinter verschlossenen Türen mit Aischa verbrachte, erfüllte den Mirza mit einer unerträglichen Irritation, einem Ekzem des Geistes, das ihn verrückt machte, weil er nicht daran kratzen konnte. Mishal hoffte, dass der Erzengel, Aischas Mann, ihr ein Kind gewähren würde, da sie dies ihrem Mann aber nicht sagen konnte, wurde sie verdrießlich und zuckte bloß die Achseln, wenn er sie fragte, warum sie so viel Zeit mit dem verrücktesten Mädchen vom Dorf verschwendete. Mishals ungewohnte Zurückhaltung verschlimmerte den Juckreiz in Mirza Saids Herz und ließ ihn dazu noch eifersüchtig werden, obgleich er nicht wusste , ob er nun auf Mishal oder Aischa eifersüchtig war. Erst jetzt bemerkte er, dass die Herrin der Schmetterlinge Augen im selben schimmernden

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