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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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einer zu ihm aufsah oder ihn erkannte! Dieses Volk hatte wahrlich das Sehen verlernt. Und weil das Verhältnis zwischen Menschen und Engeln ein ambivalentes ist - die Engel oder mala’ika sind sowohl die Kontrolleure der Natur als auch die Vermittler zwischen Gott und den Menschen; aber zugleich, wie der Koran unzweifelhaft behauptet, wurde den Engeln befohlen, werft euch vor Adam nieder, das heißt, hier wird symbolisch die Fähigkeit des Menschen angesprochen, durch Erkenntnis die von den Engeln repräsentierten Kräfte der Natur zu beherrschen -, gab es nicht viel, was der Malak Gibril, ignoriert und wütend, daran hätte ändern können. Erzengel konnten nur sprechen, wenn die Menschen bereit waren zuzuhören. Was für ein Verein! Hatte er das Über-Wesen nicht gleich zu Anfang vor dieser Horde von Kriminellen und Halunken gewarnt? »Willst du auf die Erde setzen, die Unheil anrichten und Blut vergießen?«
    hatte er gefragt, und das Wesen hatte wie üblich nur erwidert, dass es wisse, was es tue. Nun denn, da waren sie, die Herren der Erde, zusammengepfercht wie Ölsardinen auf Rädern und blind wie Fledermäuse, die Köpfe voller Unheil und die Zeitungen voller Blut.
    Es war wirklich unglaublich. Da erschien ein himmlisches Wesen, strahlend, glänzend, gütig, größer als Big Ben, fähig, mit gespreizten Beinen wie ein altbekannter Koloss über der Themse zu stehen, und diese winzigen Ameisen achteten auf nichts anderes als auf ihre Autoradios und die Streitereien mit anderen Verkehrsteilnehmern. »Ich bin Gibril!« rief er mit einer Stimme, die jedes Gebäude am Ufer erschütterte: niemand merkte auf. Nicht ein einziger Mensch kam aus den schwankenden Häusern gelaufen, um dem Erdbeben zu entgehen. Blind, taub, schlafend.
    Er beschloss , die Sache zu forcieren.
    Der Verkehrsstrom wälzte sich an ihm vorbei. Er holte tief Luft, hob einen gigantischen Fuß und trat auf die Straße.
     
    Gibril Farishta wurde zurück in geistige Zurechnungsfähigkeit geschleudert und, übel zugerichtet, mit zahlreichen Schürfwunden an Armen und im Gesicht, vor Allies Haustür abgeliefert von einem kleinen, geschniegelten, fortgeschritten stotternden Gentleman, der sich mit einiger Mühe als Filmproduzent S.S. Sisodia vorstellte, »bekannt als Whiwhisky, weil ich gegern einen pipi-pichele, Mamadam: meine Kaka-Karte!« (Als sie sich etwas besser kannten, konnte Sisodia bei Allie wahre Lachkrämpfe hervorrufen, wenn er sein rechtes Hosenbein hochkrempelte, das Knie entblößte und seine gigantische Regisseursbrille ans Schienbein hielt und dann sagte: »Selsel-Selbstporträt.« Er war stark weitsichtig: »Im Kino brauche ich keine B-B-Brille, aber das wiwi-wirkliche Leben kommt mir vivi-viel zu nahe.«) Es war Sisodias Mietwagen, der Gibril angefahren hatte, wegen des großen Verkehrsaufkommens zum Glück langsam. Der Schauspieler landete auf der Motorhaube und sprach die bekanntesten Worte der Filmgeschichte: Wo bin ich? und als Sisodia die legendären Gesichtszüge des verschollenen Halbgottes, an die Windschutzscheibe der Limousine gequetscht, erkannte, war er versucht zu antworten: Wiwi-wieder da, wo du hihi-hingehörst: vor Publikum. -»Nichts gebrochen«, sagte Sisodia zu Allie. »Ein Wuwu-Wunder. Er ist mir genau vor das Auau-Auto gelaufen.«
    Da bist du ja wieder, begrüßte Allie ihn stumm. Nach jedem Fall landest du anscheinend bei mir.
    »Auch Scotch-und-Sisodia«, kam der Filmproduzent auf Spitznamen zu sprechen. »Spa-spaßig gemeint. Mein be-be-bevorzugtes Gift.«
    »Sehr freundlich von Ihnen, Gibril nach Hause zu bringen.«
    Allie kam etwas spät zur Sache. »Dürfen wir Ihnen noch einen Drink anbieten?«
    » Gewiss ! Gewiss !« Sisodia klatschte tatsächlich in die Hände.
    »Für mich, für das gaga-ganze indische Kiki-Kino ist heute ein Freu-Freudentag.«
     
    »Kennst du die Geschichte von dem schizophrenen Paranaoiker, der sich für Kaiser Napoleon hielt und bereit war, sich einem Lügendetektortest zu unterziehen?« Alicja Cohen, die hungrig gefilte Fish aß, fuchtelte ihrer Tochter mit einer von Bloom’s Gabeln unter der Nase herum. »Sie fragten ihn: Sind Sie Napoleon? Und er antwortete, sicher mit einem bösen Lächeln: Nein. Also untersuchen sie die Maschine, die mit dem Scharfblick der modernen Wissenschaft feststellt, dass der Geisteskranke lügt.« Schon wieder Blake, dachte Allie. Dann fragte ich: wird ein Ding so durch die feste Überzeugung, dass es so ist? Er - Jesaja - erwiderte. Alle Dichter

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