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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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eigenen Verluste genauso hoch wie die des Feindes. Und nach Beendigung des Krieges, Simsalabim, tauchte der Erzengel Gibril auf und gab den überlebenden Männern Anweisung, die verwitweten Frauen zu heiraten, damit jene nicht durch auswärtige Wiederverheiratung der UNTERWERFUNG verlorengingen. O ja, wirklich ein praktisch denkender Engel, höhnte Salman. Inzwischen hatte er aus seinen Gewandfalten eine Flasche Palmwein hervorgeholt, und die beiden Männer tranken in dem schwächer werdenden Licht vor sich hin. Salman wurde immer redseliger, je mehr sich die Flasche mit der gelben Flüssigkeit leerte; Baal konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt jemanden sich derart in Rage hatte reden hören. O diese sachlichen Offenbarungen, rief Salman, uns wurde sogar gesagt, dass es keine Rolle spielt, ob wir bereits verheiratet sind, wir dürfen vier Frauen haben, wenn wir es uns leisten können, na ja, du kannst es dir denken, davon waren die Jungs wirklich begeistert.
    Was Salman und Mahound schließlich endgültig entzweite: die Sache mit den Frauen, und die mit den Satanischen Versen. Weißt du, ich bin kein Klatschmaul, gestand Salman betrunken, aber Mahound war nach dem Tod seiner Frau kein Engel, du verstehst, was ich meine. In Yathrib hätte er aber fast seine Meisterin gefunden. Die Frauen dort: dank ihrer war sein Bart nach einem Jahr fast grau geworden. Mit unserem Propheten ist es nämlich so, mein lieber Baal, dass er es nicht leiden kann, wenn seine Frauen ihm widersprechen, er steht mehr auf Mütter und Töchter, denk nur mal an seine erste Frau und dann Aischa: die eine zu alt, die andere zu jung. Er will keine Frau haben, die ihm ebenb ürtig ist. Aber in Yathrib sind die Frauen anders, weißt du, hier in Jahilia ist man daran gewöhnt, die Frauen herumzukommandieren, doch die da oben lassen sich das nicht gefallen. Wenn ein Mann heiratet, zieht er zur Familie seiner Frau! Stell dir mal vor! Wahnsinn, was? Und die Frau behält ihr eigenes Zelt. Wenn sie ihren Mann loswerden will, dreht sie ihr Zelt um, so dass der Mann, wenn er zu ihr kommt, vor einer Stoffwand steht statt vor der Tür, und damit hat sich’s, er ist geschieden und kann nichts dran ändern.
    Tja, unsere Mädchen fand en allmählich Geschmack an solc hen Dingen, ließen sich ich weiß nicht was für Ideen einfallen, also wird hopp-hopp das Gesetzbuch herausgeholt, und der Engel fängt an, Vorschriften auszuspucken, was Frauen alles verboten ist, er drängt sie in die unterwürfige Haltung zurück, die der Prophet so gern sieht, gehorsam oder mütterlich, drei Schritte hinter dem Mann herlaufen oder zu Hause sitzen und vernünftig sein, schwatzen und sich die Haare am Kinn auszupfen. Wie die Frauen von Yathrib die Gläubigen ausgelacht haben, ich schwor’s, aber dieser Mann ist ein Zauberer, niemand konnte seinem Charme widerstehen. Die gläubigen Frauen taten, wie ihnen befohlen war. Sie Unterwarfen sich: immerhin versprach er ihnen das Paradies.
    »Jedenfalls«, sagte Salman, als die Flasche schon fast ausgetrunken war, »am Ende beschloss ich, ihn auf die Probe zu stellen.«
    Eines Nachts träumte dem persischen Schreiber, er schwebe über der Gestalt Mahounds, bei der Höhle des Propheten auf dem Mount Cone. Zuerst dachte Salman, dass dies bloß eine nostalgische Erinnerung an die alte Zeit in Jahilia war, aber dann fiel ihm auf, dass er im Traum die Position des Erzengels eingenommen hatte, und in diesem Moment erinnerte er sich an den Vorfall mit den Satanischen Versen, so deutlich, als wäre er erst am Tag zuvor passiert. »Vielleicht hatte ich mich auch gar nicht als Gibril geträumt«, sagte Salman, »vielleicht war ich Schaitan.« Diese Überlegung brachte ihn auf eine diabolische Idee. Und er begann, jedes Mal , wenn er zu Füßen des Propheten saß und Vorschriften Vorschriften Vorschriften notierte, heimlich das eine oder andere zu verändern.
    »Zuerst nur Kleinigkeiten. Wenn Mahound einen Vers zitierte, in dem Gott als der Allhörende, der Allwissende bezeichnet wurde, dann schrieb ich der Allwissende, der Weise. Und jetzt Pass auf: Mahound bemerkte die Veränderungen nicht. Da habe ich doch tatsächlich Das Buch geschrieben oder umgeschrieben, wie auch immer, jedenfalls das Wort Gottes mit meiner eigenen profanen Sprache verunreinigt. Aber wenn nicht einmal der Prophet Gottes meine armseligen Worte von der Offenbarung unterscheiden konnte, was hatte das eigentlich zu bedeuten? Was besagte das über die Qualität der

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