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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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du!
    Wie viele Leute passen denn in ein einziges Haus, selbst in dieses? Du hast ein Abkommen getroffen, um deine eigene Haut zu retten. Sollen sie dich in Stücke reißen und den Ameisen vorwerfen.«
    Doch der Grande bleibt ruhig. »Mahound verspricht auch, dass all denjenigen, die sich in ihrem Hause hinter verschlossenen Türen aufhalten, nichts passieren wird. Wenn ihr nicht in mein Haus kommen wollt, dann geht in euer eigenes und wartet.« Ein drittes Mal versucht seine Frau, die Menge gegen ihn aufzubringen: eine Balkonszene nicht der Liebe, sondern voller Hass . Mit Mahound wird es keine Kompromisse geben, ihm ist nicht zu trauen, schreit sie, das Volk soll Abu Simbel nicht glauben, sondern sich darauf vorbereiten, bis auf den letzten Mann, bis auf die letzte Frau zu kämpfen. Sie selbst wird an der Seite des Volkes kämpfen, ist bereit, für die Freiheit Jahilias ihr Leben zu lassen. »Werdet ihr euch vor diesem falschen Propheten, diesem Dajjal, in den Staub werfen? Darf man Ehrgefühl von einem Mann erwarten, der sich anschickt, die Stadt seiner Geburt zu erstürmen? Kann man von dem Kompromisslosen Kompromissbereitschaft erwarten, Gnade von dem Gnadenlosen? Wir sind die Mächtigen von Jahilia, und unsere Göttinnen, glorreich im Kampf, werden siegen.« Sie ruft jedermann auf, im Namen Al-Lats zu kämpfen. Aber schon entfernen sich die Leute.
    Mann und Frau stehen auf dem Balkon, und die Leute sehen sie klar und deutlich. Seit langem sind die zwei die Spiegel der Stadt; und weil die Jahilier in letzter Zeit Hind dem ergrauten Granden vorziehen, sind sie zutiefst erschüttert. Ein Volk, das von seiner Größe und Unbesiegbarkeit überzeugt ist, das trotz aller gegenteiligen Beweise an diesem Mythos festhält, ist entweder im Schlaf oder in Verrücktheit gefangen. Jetzt hat der Grande es aus diesem Schlaf geweckt; sie stehen ratlos da, reiben sich die Augen, zunächst noch unfähig zu glauben -
    wenn wir so mächtig sind, wieso sind wir dann so schnell gefallen und so tief? -, doch dann kommt der Glaube und führt ihnen vor Augen, dass ihr Selbstvertrauen auf Wolken gebaut war, auf der Leidenschaft von Hinds Verlautbarungen und auf wenig sonst. Sie geben Hind auf und mit ihr alle Hoffnung.
    Verzweifelt gehen die Leute von Jahilia nach Hause und verschließen die Türen.
    Sie schreit, fleht, rauft sich das Haar. »Kommt zum Haus des Schwarzen Steins! Kommt und bringt Lat ein Opfer!« Doch sie sind fort. Hind und der Grande stehen allein auf dem Balkon, eine große Stille breitet sich über Jahilia, eine große Lautlosigkeit setzt ein. Hind lehnt sich an die Mauer ihres Palastes und schließt die Augen.
    Das ist das Ende. Der Grande murmelt leise: »Nicht viele von uns haben so viel Grund wie du, sich vor Mahound zu fürchten.
    Wenn du die Innereien des Lieblingsonkels eines Mannes verspeist, roh, ohne Salz und Knoblauch, dann darfst du dich nicht wundern, wenn er seinerseits dich wie ein Stück Fleisch behandelt.« Dann lässt er sie stehen und geht hinunter auf die Straße, von der selbst die Hunde verschwunden sind, um die Stadttore zu öffnen.
    Gibril träumte von einem Tempel:
    Neben den geöffneten Toren von Jahilia stand der Tempel Uzzas. Und Mahound sprach zu Khalid, der früher Wasserträger gewesen war und jetzt bedeutendere Lasten trug:
    »Gehe hin und säubere diesen Ort.« Also begab sich Khalid mit einer stattlichen Zahl M ännern zum Tempel, denn Mahound ekelte sich, die Stadt zu betreten, solange derartige Abscheulichkeiten neben ihren Toren standen.
    Als der Tempelwächter, der zum Stamme der Schark gehörte, Khalid mit einer großen Schar von Kriegern näherkommen sah, nahm er sein Schwert und trat vor die Statue der Göttin. Nachdem er seine letzten Gebete gesprochen hatte, hing er ihr sein Schwert um den Hals und sagte: »Wenn du wirklich eine Göttin bist, Uzza, dann verteidige dich und deinen Diener vor Mahound.« Da betrat Khalid den Tempel, und als die Göttin sich nicht rührte, sagte der Wächter:
    »Wahrlich, nun weiß ich, dass der Gott Mahounds der wahre Gott ist und dieser Stein nur ein Stein.« Alsbald riss Khalid den Tempel nieder und das Götzenbild und kehrte zurück zum Zelt Mahounds. Und der Prophet fragte: »Sprich, was hast du gesehen?« Khalid breitete die Arme aus. »Nichts«, erwiderte er. »Dann hast du sie nicht vernichtet«, rief der Prophet. »Geh hin und vollende dein Werk.« Also kehrte Khalid zum niedergerissenen Tempel zurück, von wo ihm eine gewaltige Frau

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