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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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Ahnung, was das Zeug da drin überhaupt wert war? Da standen sie, machten sich munter die Lungen kaputt mit ihren Zigaretten, die pro Packung teurer waren als der Eintritt, gegen den sie protestierten; was sie vor der Welt demonstrierten, war der niedrige Wert, den sie ihrem kulturellen Erbe zumaßen…
    Pamela sprach ein Machtwort. »Untersteh dich bloß nicht«, sagte sie. Sie war der damals richtigen Ansicht: dass die Museen zu wertvoll seien, um etwas dafür zu verlangen. Also:
    »Untersteh dich bloß nicht«, und zu seiner Überraschung tat er es auch nicht. Er hatte nicht das gemeint, was er anscheinend gemeint hatte. Er hatte gemeint, dass er, vielleicht, unter den richtigen Umständen, sein Leben für die Sachen in den Museen gegeben hätte. Und deshalb konnte er diese Einwände gegen einen Obulus von ein paar Pence nicht ernst nehmen.
    Allerdings leuchtete ihm ein, dass dies ein dürftiger und kaum haltbarer Standpunkt war. ) Und von den Menschen, Pamela, habe ich dich geliebt. Kultur, Stadt, Frau; und eine vierte und letzte Liebe, von der er zu niemandem gesprochen hatte: die Liebe zu einem Traum. In den alten Tagen hatte er den Traum ungefähr einmal im Monat geträumt; ein schlichter Traum angesiedelt, in einem Stadtpark, an einer Allee mit hochgewachsenen Ulmen, deren sich wölbende Äste die Allee in einen grünen Tunnel verwandelten, in den Himmel und Sonne hie und da durch die vollkommene Unvollkommenheit des Blätterbaldachins tropften. In dieser waldigen Verschwiegenheit sah Saladin sich in Begleitung eines kleinen, etwa fünfjährigen Jungen, dem er das Fahrradfahren beibrachte. Der Junge schlingerte anfangs besorgniserregend, machte mit der Verbissenheit eines, der möchte, dass sein Vater stolz auf ihn ist, heroische Anstrengungen, das Gleichgewicht zu finden und zu halten. Der Traum-Chamcha rannte hinter seinem phantasierten Sohn her und hielt den Gepäckträger über dem Hinterrad fest und damit das Fahrrad aufrecht. Dann ließ er los, und der Junge (der nicht wusste , dass er nicht mehr gestützt wurde) fuhr weiter: das Gleichgewicht kam wie die Gabe des Fliegens, und die beiden segelten die Allee entlang, Chamcha rennend, der Junge immer kräftiger in die Pedale tretend. »Du hast’s geschafft!« jubelte Saladin, und der gleichermaßen begeisterte Sohn schrie zurück: »Schau her!
    Siehst du, wie schnell ich das gelernt habe? Freust du dich mit mir? Freust du dich nicht?« Es war ein Traum zum Heulen, denn jedes Mal , wenn er aufwachte, gab es weder Fahrrad noch Kind.
    »Was hast du jetzt vor?« hatte Mishal ihn inmitten der Trümmer des Hot-Wax-Nachtclubs gefragt, und er hatte, allzu leichthin, geantwortet: »Ich? Ich werde wohl wieder zum Leben erwachen.« Leichter gesagt als getan; schließlich war es das Leben, das seine Liebe zu einem Traumkind mit Kinderlosigkeit belohnt hatte, seine Liebe zu einer Frau mit ihrer Entfremdung von ihm und ihrer Insemination durch seinen alten Collegefreund, seine Liebe zu einer Stadt, indem es ihn aus Himalaja-Höhen auf sie herabgeschleudert hatte, und seine Liebe zur Zivilisation, indem es ih n verhexte, ihn erniedrigte und aufs Rad flocht. Aber nicht ganz zerbrach, erinnerte er sich; er war wieder heil, und da war auch noch das Beispiel Niccolo Machiavellis zu bedenken (ein ungerecht behandelter Mann, sein Name, wie der Muhammad-Mahon-Mahounds, ein Synonym des Bösen, während es in Wirklichkeit sein standhaftes Republikanertum gewesen war, das ihm die Folter einbrachte, die er überstanden hatte. Waren es drei Radumdrehungen gewesen? Immerhin genug, dass die meisten die Vergewaltigung ihrer Großmutter und was sonst noch eingestanden hätten, nur damit die Tortur ein Ende hatte. Er aber gestand nichts ein, da er auch keine Verbrechen begangen hatte, während er in Diensten der Florentinischen Republik stand, jener allzu kurzen Unterbrechung der Macht der Medici); wenn Niccolo solche Unbill überstand und dann jene vielleicht verbitterte, vielleicht auch sardonische Parodie dieser speichelleckerischen Literatur des Fürstenspiegels schreiben konnte, welche damals so in Mode war, Il Principe, und die gewichtigen Discorsi nachschob, dann hätte er, Chamcha, es gewiss nicht nötig, sich den Luxus einer Niederlage zu gestatten. Wiederauferstehung also lautete die Parole, den Felsen vom dunklen Eingang der Höhle wälzen, und zum Teufel mit rechtlichen Problemen.
    Mishal, Hanif Johnson und Pinkwalla - in deren Augen Chamchas Metamorphosen den Schauspieler

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