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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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Je aufrichtiger und einfacher Baal seine Ehen mit den zwölf »Frauen des Propheten« beschrieb, desto lauter grölte das verdutzt-erheiterte Publikum. Am Ende seines Vortrags lachten die guten Leute von Jahilia buchstäblich Tränen, hemmungslos, selbst dann noch, als Soldaten mit Peitschen und Krummsäbeln ihnen den sofortigen Tod androhten.
    »Es ist mein Ernst«, schrie Baal in die Menge, die mit Pfeifen Gellen Schenkelschlagen antwortete. »Es ist kein Spaß!«
    Hahaha. Bis schließlich Ruhe einkehrte: der Prophet hatte sich erhoben.
    »Früher hast du dich über den Vortrag lustig gemacht«, sagte Mahound in das Schweigen hinein. »Diese Leute haben auch damals deinem Spott Beifall geklatscht. Jetzt bist du wieder da und entwürdigst mein Haus, und es scheint, als wäre es dir abermals gelungen, das Böse im Menschen anzusprechen.«
    Baal sagte: »Ich bin fertig. Mach was du willst.« Er wurde zum Tod durch das Schwert verurteilt, das Urteil war unverzüglich zu vollstrecken, und als die Soldaten ihn aus dem Zelt zur Hinrichtungsstätte führten, rief er über die Schulter: »Huren und Dichter, Mahound. Das sind die Leute, denen du nicht vergeben kannst.« Mahound erwiderte: »Dichter und Huren. Ich sehe da keinen Unterschied.«
    Es war einmal eine Frau, die sich nicht veränderte.
    Nachdem Jahilia durch Abu Simbels Verrat dem Propheten auf einem silbernen Tablett überreicht worden war und der Traum von Jahilias Größe der Realität von Mahounds Größe hatte weichen müssen, lutschte Hind Zehen, sagte das LaIlaha und zog sich dann in einen hohen Turm ihres Palastes zurück, in dem sie die Kunde von der Zerstörung des Al-Lat-Tempels zu Taif und sämtlicher Statuen der Göttin erreichte. Sie schloss sich in ihrem Turmzimmer mit einem Haufen alter Bücher ein, die in einer Schrift geschrieben waren, die kein Mensch sonst in Jahilia entziffern konnte; zwei Jahre und zwei Monate verbrachte sie dort, studierte heimlich die okkulten Schriften, und auf ihre Bitte hin wurde einmal am Tag eine einfache Mahlzeit vor ihrer Tür abgestellt und gleichzeitig ihr Nachttopf geleert. Zwei Jahre und zwei Monate sah sie kein anderes Lebewesen. Dann betrat sie am frühen Morgen, angetan mit ihren schönsten Gewändern, mit glitzerndem Schmuck an Handgelenken, Fesseln, Zehen, Ohren und Hals, das Schlafzimmer ihres Mannes. »Wach auf!« rief sie und zog die Vorhänge auf. »Heute ist ein Festtag.« Er bemerkte, dass sie nicht um einen einzigen Tag gealtert war, seit er sie zuletzt gesehen hatte. Wenn überhaupt, dann sah sie jünger aus als je zuvor, was jenen Gerüchten Glaubwürdigkeit verlieh, die behaupteten, sie habe in ihrem Turmzimmer die Zeit durch einen Zauberspruch dazu gebracht, für sie rückwärts zu gehen.
    »Was gibt es denn zu feiern?« fragte der einstige Grande von Jahilia und spuckte wie jeden Morgen seinen blutigen Auswurf aus. Hind antwortete: »Den Fluss der Geschichte kann ich vielleicht nicht umkehren, aber Rache ist süß.«
    Eine Stunde später traf die Nachricht ein, dass der Prophet Mahound tödlich erkrankt sei, er liege in Aischas Bett, mit rasenden Kopfschmerzen, als wären lauter kleine Teufel dort am Werk. Hind fuhr seelenruhig fort, Vorbereitungen für ein Festmahl zu treffen, und schickte Diener in jeden Winkel der Stadt mit Einladungen an ihre Gäste. Aber an so einem Tag mochte natürlich niemand zu einer Party gehen. Abends saß Hind allein im Festsaal ihres Palastes, inmitten der Goldteller und Kristallgläser ihrer Rache, umgeben von prächtigen, dampfenden, aromatisch duftenden Speisen jeder erdenklichen Art, und aß ein schlichtes Couscous -Gericht. Abu Simbel weigerte sich, ihr Gesellschaft zu leisten, hatte ihr Mahl eine Obszönität genannt. »Du hast das Herz seines Onkels gegessen«, rief er, »und jetzt würdest du sogar das seine essen.« Sie lachte ihm ins Gesicht. Als die Diener zu weinen begannen, schickte sie sie hinaus und saß einsam frohlockend da, und die Kerzen warfen seltsame Schatten auf ihr strenges, unnachgiebiges Gesicht.
    Gibril träumte von Mahounds Tod:
    Als der Kopf des Verkünders zu schmerzen begann wie nie zuvor, wusste Mahound, dass die Zeit gekommen war und er vor die Wahl gestellt würde:
    Da nämlich kein Prophet sterben darf, ehe er nicht das Paradies geschaut hat, um anschließend zu wählen zwischen dieser Welt und der nächsten:
    Er lag da, das Haupt in den Schoß der geliebten Aischa gebettet, schloss die Augen, und das Leben schien von ihm zu weichen,

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