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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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doch nach einer Weile kam er wieder zu sich: Und er sprach zu Aischa: »Ich bin vor die Wahl gestellt worden und habe mich für das Reich Gottes entschieden.«
    Da weinte sie, denn sie wusste , dass er von seinem Tod sprach, woraufhin sein Blick an ihr vorbeiging und sich auf jemand anders zu richten schien, wiewohl Aischa, als sie sich umwandte, dort nur eine Lampe auf ihrem Halter brennen sah.
    »Wer ist da?« rief er. »Bist du es, Asrael?«
    Aischa aber vernahm eine entsetzliche, süße Stimme, eine Frauenstimme: »Nein, Verkünder Al-Lahs, ich bin nicht Asrael.«
    Und die Lampe verlöschte, und Mahound fragte in das Dunkel hinein: »Ist diese Krankheit dann dein Werk, Al-Lat?«
    Und sie sagte: »Es ist meine Rache an dir, und ich bin zufrieden. Man wird einem Kamel die Kniesehnen durchschneiden und es auf deinem Grab zurücklassen.«
    Die Stimme entfernte sich, und die erloschene Lampe flammte wieder auf zu einem großen und sanften Licht, und der Verkünder murmelte: »Dennoch, Al-Lat, danke ich dir für dieses Geschenk.«
    Kurz darauf starb er. Aischa ging hinaus in den Nebenraum, in dem die anderen Frauen und Jünger mit schwerem Herzen warteten, und sie hoben an, laut zu klagen: Aischa aber trocknete sich die Augen und sagte: »Wer unter euch den Verkünder angebetet hat, der möge trauern, denn Mahound ist tot. Wer aber unter euch Gott anbetet, der möge frohlocken, denn ER lebt gewiss .«
    Das war das Ende des Traums.

VII

DER ENGEL ASRAEL

1

    Am Ende war es wohl doch Liebe, sinnierte Saladin Chamcha in seiner Höhle: Liebe, der eigensinnige Vogel aus Meilhacs und Halévys Libretto von Carmen, eines der Paradeexemplare aus dem Allegorischen Aviarium, die er in heitereren Tagen gesammelt hatte und zu denen auch die gefiederten Metaphern Süße (der Jugend) Gelb (mehr Glück als ich), Khayy-am-FitzGeralds adjektivloser Vogel der Zeit (welcher nur ein kleines Stück zu fliegen hat, und siehe! im Fluge ist) und das Obszöne gehören; letzteres aus einem Brief von Henry James sen. an seine Söhne… »Einem jeden, der zumindest den geistigen Kinderschuhen entwachsen ist, dämmert der Verdacht, dass das Leben keine Farce ist, dass es nicht einmal elegante Komödie ist, dass es ganz im Gegenteil aus den tiefsten tragischen Tiefen des essentiellen Mangels erblüht und Frucht trägt, jenes Mangels, in den die Wurzeln seines Gegenstands versenkt sind. Das natürliche Erbe eines jeden, der eines geistigen Lebens fähig ist, ist ein ungezähmter Wald, in dem der Wolf heult und der obszöne Vogel der Nacht plappert.« Das sitzt, Kinder, was? Und in einem separaten, aber naheliegenden Glaskasten der Einbildung des jüngeren, glücklicheren Chamcha flatterte ein Gefangener aus einem Stück Hitparadenohrwurm, der Leuchtende, Flüchtige Schmetterling, der l’amour mit dem oiseau rebelle teilte.
    Die Liebe, eine Zone, in welcher niemand, der begehrte, einen menschlichen (im Gegensatz zum roboterhaften, Skinnerisch-androiden) Torso an Erfahrung zu erstellen, es sich leisten konnte, den Betrieb dichtzumachen, hat dich runtergemacht, ganz ohne Frage, und sehr wahrscheinlich auch kaltgemacht. Sie hat dich sogar noch vorgewarnt. »Die Liebe ist ein Kind aus Böhmen«, singt Carmen, selbst der Inbegriff der Geliebten, das vollkommene Moti v der Liebe, ewig und göttlich, »und wenn du mich liebst, Pass auf dich auf«. Mehr Fairness war nicht zu erwarten. Was ihn selbst betraf, so hatte Saladin in seinem Leben ausgiebig geliebt und erlitt nun (zu der Überzeugung war er gelangt) die Rache der Liebe an einem törichten Liebhaber. Unter den Dingen des Geistes hatte er am meisten die proteische und unerschöpfliche Kultur der englischsprachigen Völker geliebt; hatte gesagt, als er Pamela umwarb, Othello, »nur dies eine Stück«, sei so viel wert wie der gesamte Ausstoß jedes beliebigen Dramatikers jedweder Sprache, und auch wenn er sich der Hyperbel bewusst war, fand er nicht, dass es stark übertrieben war. (Natürlich unternahm Pamela beständige Anstrengungen, ihre Klasse und Rasse zu verraten, und so war vorauszusehen, dass sie Othello mit Shylock in einen Topf warf und diesen dem Rassisten Shakespeare um die Ohren schlug.) Er hatte sich bemüht, wie der bengalische Autor Nirad Chaudhuri vor ihm - wenn auch ohne jenen Drang einer koboldhaften Kolonialintelligenz, als enfant terrible betrachtet zu werden -, der Herausforderung, die sich in der Wendung Civis Britannicus sum ausdrückte, würdig zu erweisen. Das Empire war

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