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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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der Sex. Es ist unglaublich mit uns zusammen, vollkommen, wie nichts anderes, was ich erlebt habe. Ein Traumpaar. Er scheint mich einfach zu, zu kennen. Mich zu kennen.« Sie verstummte; die Nacht verbarg ihr Gesicht. In Chamcha stieg erneut die Bitterkeit hoch. Um ihn herum waren nur Traumpaare; er konnte, traumlos, lediglich zusehen. Wütend Biss er die Zähne zusammen und erwischte versehentlich die Zunge.
    Gibril und Allie hatten sich in Durisdeer verkrochen, einem Dorf, das so klein war, dass es nicht einmal ein Wirtshaus gab, und wohnten in einer entweihten Freikirche, die ein Freund Allies, ein Architekt, für sie konvertiert hatte - das quasireligiöse Wort klang in Chamchas Ohren komisch -, der mit derlei Metamorphosen des Heiligen zum Profanen ein Vermögen gemacht hatte. Das Gebäude erschien Chamcha ziemlich düster, trotz der weißen Wände, der versenkten Punktstrahler und des langflorigen Teppichbodens. Im Garten standen Grabsteine. Als Zuflucht für einen, der an der paranoiden Wahnvorstellung litt, Gottes Haupterzengel zu sein, sinnierte Chamcha, wäre das nicht gerade seine erste Wahl gewesen.
    Die Freikirche stand ein wenig abgesetzt von dem runden Dutzend weiterer Backsteinhäuser, die die Gemeinde bildeten; selbst in dieser Isolation noch isoliert. Gibril stand in der Tür, ein Schatten vor dem erleuchteten Flur, als der Wagen vorfuhr.
    »Da bist du ja«, brüllte er. »Yaar, sehr gut. Willkommen in dem Scheißgefängnis.«
    Die Medikamente machten aus Gibril einen Tollpatsch . Als die drei um den Küchentisch aus Kiefer unter der schnieken absenkbaren dimmergeschalteten Beleuchtung saßen, stieß er zweimal seine Kaffeetasse um (er hatte dem Alkohol demonstrativ entsagt; Allie goss zwei großzügige Whiskys ein und leistete Chamcha Gesellschaft) und torkelte fluchend durch die Küche, um das Missgeschick aufzuwischen. »Wenn es mich ankotzt, so zu sein, dann reduzier ’ ich die Dosis, ohne ihr etwas zu sagen«, bekannte er. »Und dann fängt die ganze Scheiße an. Ich schwör’s dir, Spoono, ich finde die Vorstellung unerträglich, dass es nie aufhören wird, dass mir nur die Wahl bleibt zwischen Medikamenten oder Macken. Ich halte es verflucht noch mal nicht aus. Ich schwör’s dir, yaar, wenn ich dächte, das war’s wohl, dann, bah, ich weiß nicht, ich würd’, ich weiß nicht, was.«
    »Halt die Klappe«, sagte Allie leise. Doch er brüllte los:
    »Spoono, ich hab’ sie sogar geschlagen, weißt du das?
    Scheiße noch mal. Einmal glaubte ich, sie sei so ein Rakshasa-Dämon, und ich hab’ sie mir einfach vorgenommen. Weißt du, wie stark das ist, wie viel Kraft der Wahnsinn hat?«
    »Zum Glück bin ich immer in die - hicks, iiek - diese Selbstverteidigungskurse gegangen«, grinste Allie. »Er übertreibt, um das Gesicht zu wahren. Wer dann nämlich auf dem Fußboden lag und sich de n Kopf anschlug, das war er.« - »Genau hier«, stimmte Gibril verlegen zu. Der Küchenboden bestand aus großen Steinplatten. »Schmerzhaft«, erlaubte Chamcha sich zu bemerken. »Verdammt wahr«, röhrte Gibril, der jetzt merkwürdig fröhlich war. »Hat mich bilkul ausgeknockt.«
    Das Innere der Freikirche war in einen großen, über zwei Stockwerk e gehenden (im Hausmaklerjargon »doppelvolumigen«) Wohnraum - der ehemalige Gemeinderaum - und eine eher konventionelle Hälfte mit Küche und Nutzräumen unten sowie Schlafzimmern und Bad oben aufgeteilt. Chamcha konnte aus irgendeinem Grund keinen Schlaf finden und stieg um Mitternacht in den großen (und kühlen: die Hitzewelle mochte zwar im Süden Englands anhalten, hier oben aber war kein Kräuseln davon zu spüren; das Klima war herbstlich-frisch) Wohnraum hinunter und wanderte zwischen den Geisterstimmen verbannter Prediger umher, während Gibril und Allie sich lautstark liebten. Wie Pamela. Er versuchte, an Mishal, an Zeeny Vakil zu denken, aber es funktionierte nicht. Er kämpfte gegen die Geräuscheffekte von Farishtas und Alleluja Cones Kopulation an, indem er sich die Finger in die Ohren stopfte.
    Ihre Verbindung war von Anfang an höchst risikoreich gewesen, sinnierte er: erstens Gibrils dramatische Aufgabe seiner Karriere und seine Hetze um die Welt, und nun Allies kompromisslose Entschlossenheit, es durchzustehen, diese wahnsinnige, engelsgleiche Göttlichkeit in ihm zu überwinden und das Menschliche, das sie liebte, wiedereinzusetzen. Keine Kompromisse; sie gingen aufs Ganze. Er, Saladin, dagegen hatte sich damit zufrieden erklärt, mit

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