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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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seiner Frau und ihrem Liebhaber unter einem Dach zu leben. Was war der bessere Weg? Captain Ahab ertrank, erinnerte er sich; Ishmael der Opportunist dagegen überlebte.
     
    Am nächsten Morgen befahl Gibril einen Aufstieg auf den örtlichen »Top«. Doch Allie wollte nicht, obwohl Chamcha ihrer leuchtenden Nasenspitze ansah, wie sehr sie sich über ihre Rückkehr aufs Land freute. »Blöde Plattfußmama«, schalt Gibril sie liebevoll. »Na, komm, Salad. Wir verdammten Pinkel aus der Stadt zeigen der Everest-Bezwingerin, was klettern heißt.
    Ist das nicht eine verkehrte Welt, yaar. Wir gehen Bergsteigen, und sie hockt hier und macht Geschäftstelefonate.« Saladins Gedanken rasten; jetzt verstand er das merkwürdige Humpeln in den Sheppertonstudios, verstand auch, dass diese abgeschiedene Zuflucht vorübergehend sein würde, dass Allie, indem sie hierher kam, ihr Leben opferte und das nicht endlos so weitertreiben konnte. Was sollte er tun? Alles? Nichts?
    Wenn Rache genommen werden sollte, wann und wie? »Zieh dir die Stiefel da an«, kommandierte Gibril. »Glaubst du, der Regen hält sich den ganzen Tag zurück?«
    Er tat es nicht. Als sie den Steinhaufen auf dem Gipfel von Gibrils Tour erreichten, waren sie in einen feinen Nieselregen eingehüllt. »Na, großartig«, keuchte Gibril. »Schau: da ist sie, da unten, dick und fett wie der Obermufti.« Er deutete hinunter auf die Freikirche. Chamcha stand mit hämmerndem Herzen da und kam sich blöd vor. Er musste sich endlich wie einer benehmen, der Probleme mit der Pumpe hat. Was war so großartig daran, hier, im Reg en, auf diesem Nichts von einem »Top«, für nichts und wieder nichts an Herzversagen zu sterben? Dann holte Gibril einen Feldstecher heraus und begann, das Tal abzusuchen. Kaum etwas regte sich - zwei, drei Männer und Hunde, ein paar Schafe, sonst nichts. Gibril verfolgte die Männer mit seinem Fernglas. »Jetzt, wo wir allein sind«, sagte er unvermittelt, »kann ich dir sagen, warum wir in Wirklichkeit zu diesem feuchten, leeren Loch gekommen sind.
    Ihretwegen. Ja, ja; lasse dich nicht von meinem Theater täuschen! Es ist nur ihre verdammte Schönheit. Männer, Spoono: die sind hinter ihr her wie die Fliegen. Ich schwör’s dir!
    Ich sehe sie, wie sie nach ihr geifern und grapschen. Das ist nicht recht. Sie ist ein sehr zurückgezogener Mensch, der zurückgezogenste Mensch der Welt. Wir müssen sie vor der Wollust schützen.«
    Dieser Vortrag überraschte Saladin. Du armes Schwein, dachte er, du rast mit hundert Sachen auf die Verblödung zu.
    Und dicht auf den Fersen dieses Gedankens tauchte wie durch ein Wunder ein zweiter Satz in seinem Kopf auf: Aber glaub ja nicht, dass du mir so davonkommst.
     
    Auf der Fahrt zurück zum Bahnhof von Carlisle erwähnte Chamcha die Entvölkerung des Landes. »Es gibt keine Arbeit«, sagte Allie. »Also ist es leer. Gibril sagt, er kann sich nicht an die Vorstellung gewöhnen, dass die ganze Leere für Armut steht: nach den Massen in Indien kommt ihm das wie Luxus vor, sagt er.« -»Und Ihre Arbeit?« fragte Chamcha. »Was ist damit?« Sie lächelte ihn an, die eisige Jungfrauenfassade war lange schon geschmolzen. »Nett von Ihnen, dass Sie danach fragen. Ich denke immer, eines Tages steht mein Leben im Mittelpunkt, kommt an erster Stelle. Oder, ach, es fällt mir schwer, die erste Person Plural zu benutzen: unser Leben. Das klingt schon besser, nicht?«
    »Sie dürfen nicht zulassen, dass er Sie abschneidet«, riet Saladin. »Von Jumpy, von Ihrer Welt, was immer.« Das war der Augenblick, in dem sein Feldzug begann; als er den Fuß auf diese mühelose, verführerische S traße setzte, auf der es nur in einer Richtung weiterging. »Sie haben recht«, sagte Allie.
    »Mein Gott, wenn er nur wüsste . Sein heißgeliebter Sisodia zum Beispiel; er steigt nicht nur zwei Meter großen Sternchen nach, auch wenn ihm die weiß Gott gefallen.« - »Er ist zudringlich geworden«, klopfte Chamcha auf den Busch und heftete die Information für eine mögliche spätere Verwendung gleichzeitig ab. »Er ist absolut schamlos«, lachte Allie. »Direkt vor Gibrils Augen. Allerdings stört ihn ein Korb wenig: er verbeugt sich nur und murmelt nichts für u-ungut, und damit hat sich’s. Können Sie sich vorstellen, was gewesen wäre, wenn ich Gibril das gesagt hätte?«
    Chamcha wünschte Allie am Bahnhof Glück. »Wir müssen für ein paar Wochen nach London«, sagte sie durch das Wagenfenster. »Ich habe Termine. Vielleicht

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