Die Satanischen Verse
Null-Grad-geh-zum-Teufel-Blick, ihrer Miene, als sei sie in eines der großen, rätselhaften Geheimnisse des Universums eingeweiht, mit ihrer Wildnis, wie er es später nannte, etwas Hartes, Rares, asozial, distanziert, etwas Elementares. Warum ärgerte ihn das so? Warum hatte er sie, noch bevor sie den Mund aufmachte, als Teil des Feindes qualifiziert?
Vielleicht, weil er sie begehrte, und noch mehr begehrte, was er für ihre innere Gewissheit hielt; diese mangelte ihm, und er neidete sie ihr, und er suchte zu beschädigen, was er neidete.
Wenn Liebe eine Sehnsucht ist, so zu sein (oder zu werden) wie der geliebte Mensch, da nn muss man sagen, dass Hass durch denselben Ehrgeiz erzeugt werden kann, wenn er keine Erfüllung findet.
Folgendes geschah: Chamcha erfand sich eine Allie und wurde zum Widersacher seiner Fiktion… er zeigte nichts davon.
Er lächelte, schüttelte ihr die Hand, freute sich, sie kennenzulernen; und umarmte Gibril. Ich folge ihm, um meinen Zweck an ihm zu erfüllen. Allie, die keinen Verdacht schöpfte, entschuldigte sich. Die beiden hätten sich sicher viel zu erzählen, sagte sie, und ging mit dem Versprechen, bald wiederzukommen: weg, wie sie es formulierte, auf Erkundungsgang. Er bemerkte, dass sie ein, zwei Schritt lang leicht humpelte, dann innehielt und kraftvoll davon schritt. Zu den Dingen, die er von ihr nicht wusste , gehörten ihre Schmerzen.
Ohne zu wissen, dass der Gibril, der vor ihm stand, entrückten Auges und flüchtigen Grußes, unter der aufmerksamsten medizinischen Beobachtung stand; oder dass er Tag für Tag gewisse Medikamente einnehmen musste , die seine Sinne trübten, und zwar wegen der sehr realen Möglichkeit eines erneuten Ausbruchs seiner nicht-mehr-namenlosen Krankheit, das heißt, paranoider Schizophrenie; oder dass er, auf Allies unnachgiebiges Drängen hin, lange Zeit von den Filmleuten ferngehalten wurde, denen sie seit seinem letzten Wutanfall stark misstraute ; oder dass ihre Anwesenheit auf der Battuta-Mamoulian-Party eine Sache war, der sie sich voll und ganz widersetzt und erst nach einer schrecklichen Szene gefügt hatte, in der Gibril sie anbrüllte, er würde sich nicht länger gefangen halten lassen und sei nunmehr entschlossen, einen neuerlichen Versuch zu unternehmen, wieder in sein »wirkliches Leben« einzutreten; oder dass die Anstrengung, die es bedeutete, sich um einen verstörten Liebhaber zu kümmern, der dazu fähig war, kleine fledermausartige Kobolde mit dem Kopf nach unten im Kühlschrank hängen zu sehen, Allie wie ein durchgewetztes Hemd aufgerieben hatte, wobei er ihr die Rollen Krankenschwester, Sündenbock und Krücke aufgezwungen hatte -was, in summa, ihr abverlangte, ihrer eigenen komplexen und un ruhigen Natur zuwiderzuhandeln; ohne das alles zu wissen, ohne zu begreifen, dass der Gibril, den er nun anschaute und den er zu sehen glaubte, Gibril, die Verkörperung all des Glücks, welches dem furiengehetzten Chamcha so eklatant mangelte, nicht weniger ein Geschöpf seiner Phantasie, nicht weniger eine Fiktion war als seine erfundene-abgelehnte Allie, jene klassische Mörderblondine oder Femme fatale, die von seiner eifersüchtigen, gequälten, orestischen Einbildung beschworen wurde, durchdrang Saladin in seiner Unwissenheit gleichwohl, durch schieren Zufall, den schwachen Punkt in Gibrils (zugegebenermaßen etwas quicho-tischem) Panzer und erkannte sofort, wie der verhasste Andere schnellstmöglich zerlegt werden konnte.
Gibrils banale Frage gab das Stichwort. Von Sedativa auf Smalltalk beschränkt, fragte er vage: »Und wie, sag mir, geht es deiner Liebenfrau?« Worauf Chamcha, der Alkohol hatte ihm die Zunge gelöst, herausplatzte: »Wie? Hat ‘nen dicken Bauch.
Gesegnete Umstände. Scheißkind unterm Herzen.« Der narkotisierte Gibril überhörte die Gewalt in dieser Aussage, strahlte geistesabwesend, legte Saladin den Arm um die Schulter. »Shabash, Mubarak«, diente er als Glückwunsch an.
»Spoono! Verdammt schnelle Arbeit.«
»Gratuliere ihrem Liebhaber«, wütete Saladin mit schwerer Zunge. »Mein alter Freund, Jumpy Joshi. Zugegeben, er ist ein Mann. Anscheinend rasten die Frauen bei ihm aus. Weiß Gott, warum. Sie wollen seine verfluchten Babys und fragen noch nicht mal nach, ob ihm das recht ist.«
»Wer denn zum Beispiel?« brüllte Gibril, worauf sich Köpfe drehten und Chamcha überrascht zusammenzuckte. »Wer wer wer?« grölte er, was beschw ipstes Gekichere nach sich zog.
Auch Saladin Chamcha lachte,
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