Die Satanischen Verse
Familie aufzunehmen, ihn zu herzen und zu streicheln und ihm Bananen in den Mund zu stopfen.
(Nachdem er die letzte Rechnung beglichen hatte und die Brieftasche, die er einst am Fuß des Regenbogens gefunden hatte, leer war, sagte sein Vater zu ihm: »Schau. Du hast gelernt, mit Geld umzugehen. Ich habe einen Mann aus dir gemacht.« Aber was für einen? Das wissen Väter nie. Nicht im Vorhinein ; erst wenn es zu spät ist.)
Eines Tages kurz nach seinem Schuleintritt kam er zum Frühstück herunter und fand einen Hering auf seinem Teller. Er saß da, starrte ihn an und wusste nicht, wo anfangen. Dann schnitt er hinein und hatte den Mund voller winziger Gräten.
Und nachdem er sie alle herausgezogen hatte, den nächsten Bissen, mehr Gräten. Seine Mitschüler sahen schweigend zu, wie er litt; nicht einer von ihnen sagte, schau, ich zeige es dir, du musst ihn so essen. Er brauchte neunzig Minuten für den Fisch, und er durfte nicht vom Tisch aufstehen, bevor er fertig war. Mittlerweile zitterte er, und hätte er weinen können, hätte er es jetzt getan. Dann kam ihm der Gedanke, er habe eine wichtige Lektion gelernt. England war ein seltsam schmeckender, geräucherter Fisch voller Dornen und Gräten, und niemand würde ihm je sagen, wie man ihn aß. Er merkte, dass er ein sturer Mensch war. »Ich werd’s ihnen zeigen«, schwor er sich. »Wir wer den ja sehen.« Der aufgegessene Hering war sein erster Sieg, der erste Schritt bei seiner Eroberung Englands.
Wilhelm der Eroberer, so sagt man, aß als erstes einen Mundvoll englischen Sand.
Fünf Jahre später, nach dem Schulabschluss , war er wieder zu Hause, wartete darauf, dass in England das Semester begann, und seine Verwandlung in einen Vilayeti war weit vorangeschritten. »Schau, wie schön er jammert«, zog ihn Nasreen vor seinem Vater auf. »An allem und jedem hat er etwas auszusetzen, die Ventilatoren sind nicht richtig an der Decke befestigt und werden herunterfallen und uns im Schlaf den Kopf abschneiden, sagt er, und das Essen macht dick, warum müssen wir alles immer braten, will er wissen, die Balkone im obersten Stock sind unsicher, und die Farbe blättert ab, warum geben wir nicht mehr auf eine gepflegte Umgebung, der Garten ist verwildert, wir sind einfach Dschungelmenschen, das denkt er wirklich, und wie primitiv unsere Filme sind, sie gefallen ihm nicht mehr, und so viele Krankheiten, dass man nicht einmal das Leitungswasser trinken kann, du lieber Gott, er ist jetzt wirklich gebildet, Mann, unser kleiner Sallu, der Englandheimkehrer, und so redet er auch daher.«
Sie spazierten am Abend über den Rasen, sahen zu, wie die Sonne ins Meer eintauchte, schlenderten im Schatten jener großen, weit auslandenden Bäume - einige waren schlangenartig, andere stachlig -, die Salahuddin (der sich nun im Stil der englischen Schule Saladin nannte, aber noch eine ganze Weile Chamchawala bleiben sollte, bis ein Theateragent aus kommerziellen Gründen seinen Namen abkürzte) allmählich benennen konnte, Brotfruchtbaum, Banyan, Jakaranda, Feuerbaum, Platane. Kleine Rührmichnichtan-Pflanzen wuchsen am Fuß seines Lebensbaums, des Walnussbaums , den Changez eigenhändig am Tag der Geburt seines Sohnes gepflanzt hatte. Vater und Sohn beim Lebensbaum waren beide verlegen, unfähig, auf Nasreens gutmütige Spaße angemesse n zu reagieren. Saladin war von der traurigen Vorstellung erfasst worden, dass der Garten ein schönerer Ort gewesen war, bevor er die Namen der Bäume kannte, dass etwas verlorengegangen war, das er niemals wiedergewinnen konnte. Und Changez Chamchawala merkte, dass er seinem Sohn nicht mehr in die Augen blicken konnte, weil die Verbitterung, die er sah, ihm fast das Herz gefrieren ließ. Als er sprach und sich dabei abrupt von dem achtzehn Jahre alten Walnussbaum abwandte, den er sich manchmal während ihrer langen Trennung als Sitz der Seele seines einzigen Sohnes vorgestellt hatte, kamen die Wörter falsch heraus, und es klang, als ob er die starre, kalte Person wäre, die er nie hatte werden wollen, und nun fürchtete, sein zu müssen.
»Sag deinem Sohn«, sagte er mit dröhnender Stimme zu Nasreen, »wenn er ins Ausland gegangen ist, um dort die Seinen verachten zu lernen, dann können die Seinen nur Geringschätzung für ihn empfinden. Was ist er denn? Ein kleiner Lord, der Kaiser von China? Ist das mein Schicksal: einen Sohn zu verlieren und mir dafür ein Monster einzuhandeln?«
Es war ihre letzte familiäre Unterhaltung. Den ganzen
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