Die Satanischen Verse
Kräfte verließen und ich glaubte, ich würde im Wasser sterben, sah ich es mit eigenen Augen; ich sah, wie sich das Meer teilte, wie Haar, das gescheitelt wird; und da waren sie alle, weit draußen, und gingen von mir weg. Auch sie war da, meine Frau, Khadija, die ich liebte.«
Folgendes sagte Osman der Ochsen-Junge den Kriminalbeamten, die durch die eidesstattliche Aussage des Sarpanch völlig durcheinander waren: »Zunächst hatte ich große Angst zu ertrinken. Dennoch suchte und suchte ich, insbesondere nach ihr, Aischa, die ich schon vor ihrer Verwandlung kannte. Und da, endlich, sah ich es geschehen, das Wunderbare. Das Wasser tat sich auf, und ich sah sie am Grund des Ozeans inmitten sterbender Fische dahingehen.«
Auch Sri Srivinas schwor bei der Göttin Lakschmi, er habe die Teilung des Arabischen Meers gesehen, und als die Kriminalbeamten dann zu Mrs. Qureishi kamen, waren sie völlig entnervt, weil sie wussten , dass sich die Männer die Geschichte unmöglich gemeinsam zurechtgebastelt haben konnten.
Mishals Mutter, die Frau des großen Bankiers, erzählte mit ihren eigenen Worten dieselbe Geschichte. »Glauben Sie es oder auch nicht«, endete sie nachdrücklich, »aber meine Zunge wiederholt nur, was meine Augen sahen.«
Gänsehäutige Kriminalbeamte versuchten es mit der dritten Stufe. » Pass auf, Sarpanch, scheiß jetzt nicht aus dem Mund.
Ein Haufen Leute war dort, und keiner hat irgendetwas gesehen. Die ertrunkenen Leichen treiben schon ans Ufer, aufgeschwollen wie Ballons, und stinken wie die Pest. Wenn du weiterlügst, holen wir dich hier raus und stecken dich mit der Nase in die Wahrheit.«
»Sie können mir zeigen, was Sie wollen«, beschied der Sarpanch Muhammad Din die Beamten. »Ich weiß, was ich gesehen habe.«
»Und Sie«, die Kriminalbeamten versammelten sich um Mirza Said, als er erwachte, um ihn zu befragen. »Was haben Sie am Strand gesehen?«
»Wie können Sie das fragen?« protestierte er. »Meine Frau ist ertrunken. Verschonen Sie mich jetzt bloß damit.«
Als er erfuhr, dass er der einzige Überlebende der Aischa-Hadsch war, der nicht die Tei lung der Wellen gesehen hatte - Sri Srinivas hatte ihm erzählt, was die andern bezeugt hatten, und traurig hinzugefügt: »Es ist unsere Schande, dass wir nicht für wert befunden wurden, sie zu begleiten. Über uns, Sethji, schlössen sich die Wasser, sie wurden uns ins Gesicht geschlagen wie die Tore des Paradieses« -, brach Mirza Said zusammen und weinte eine Woche und einen Tag, die trockenen Schluchzer erschütt erten seinen Körper lange noch, nachdem seinen Tränenkanälen das Salz ausgegangen war.
Dann ging er nach Hause.
Motten hatten die Punkahs Peristans zerfressen, und die Bibliothek war von einer Milliarde hungriger Würmer verzehrt worden. Als er die Wasserhähne aufdrehte, strömten anstelle von Wasser Schlangen heraus, und Schlingpflanzen hatten sich um die vier Pfosten des Himmelbetts gewunden, in dem einst Vizekönige schliefen. Es war, als hätte sich während seiner Abwesenheit die Zeit beschleunigt und als wären Jahrhunderte vergangen statt Monate, so dass der riesige Perserteppich, der im Ballsaal aufgerollt lag, unter seiner Berührung zerfiel, und die Bäder waren voller Frösche mit scharlachroten Augen.
Nachts heulten Schakale in den Wind. Der große Baum war tot oder dem Tod nah, und die Felder waren öde wie die Wüste; die Gärten Peristans, in welchen er, vor langer Zeit, zum ersten Mal ein schönes junges Mädchen gesehen hatte, waren vor langer Zeit zu Hässlichkeit vergilbt. Geier waren die einzigen Vögel am Himmel.
Er zog einen Schaukelstuhl auf die Veranda, setzte sich hinein und schaukelte sich sanft in den Schlaf.
Einmal, nur einmal, besuchte er den Baum. Das Dorf war zu Staub zerfallen; landlose Bauern und Plünderer hatten versucht, sich des verlassenen Lands zu bemächtigen, aber die Dürre hatte sie vertrieben. Hier war kein Regen gefallen. Mirza Said kehrte nach Peristan zurück und verriegelte die rostigen Tore. Er hatte kein Interesse am Schicksal seiner Mitüberlebenden; er ging zum Telefon und riss es aus der Wand.
Nach ungezählten Tagen fiel ihm auf, dass er verhungerte, weil er roch, dass sein Körper nach Nagellackentferner stank; aber da er weder Hunger noch Durst verspürte, beschloss er, dass es keinen Sinn hatte, nach Nahrung zu suchen. Wozu?
Viel besser, in diesem Stuhl zu schaukeln und nicht zu denken, nicht zu denken, nicht zu denken.
In der letzten Nacht seines
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