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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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Imam angerannt kam und über die Gottlosigkeit ihres Treibens kreischte.
     
    Die Nacht brach herein. Die Dörfler aus Titlipur saßen um ihren Sarpanch Muhammad Din herum, und es wurden ernste Gespräche über eine Rückkehr nach Hause geführt. Vielleicht war noch ein Rest der Ernte zu retten. Mishal Akhtar lag, den Kopf im Schoß ihrer Mutter, im Sterben, von Schmerzen gepeinigt, und eine einzelne Träne rollte aus ihrem linken Auge.
    Und in einer Ecke des Hofs der grünblauen Moschee mit ihrer Technicolor-Neonbeleuchtung saßen die Visionärin und der Zamindar und redeten. Ein Mond - neu, horngleich, kalt - schien herab.
    »Du bist ein schlauer Mann«, sagte Aischa. »Du wusstest , wie du deine Chance zu nutzen hattest.«
    Mirza Said unterbreitete einen Kompromissvorschlag . »Meine Frau liegt im Sterben«, sagte er. »Und sie möchte sehr gern nach Mekka Sharif. Wir, du und ich, haben also gemeinsame Interessen.«
    Aischa hörte zu. Said drängte weiter: »Aischa, ich bin kein schlechter Mensch. Ich sage dir, vieles auf diesem Marsch hat mich verdammt beeindruckt; verdammt beeindruckt. Du hast diesen Leuten eine tiefe spirituelle Erfahrung gegeben, keine Frage. Glaub nicht, dass es uns modern Gesinnten an einer spirituellen Dimension mangelt.«
    »Die Leute haben mich verlassen«, sagte Aischa.
    »Die Leute sind verwirrt«, entgegnete Said. »Der Punkt ist, wenn du sie tatsächlich zum Meer führst, und nichts geschieht, bei Gott, dann wenden sie sich erst richtig gegen dich. Ich schlage dir folgenden Handel vor. Ich habe Mishals Papa angeklingelt, und er hat eingewilligt, die Hälfte der Kosten zu übernehmen. Wir bieten dir an, dich und Mishal und, sagen wir, zehn - zwölf! -Dörfler nach Mekka zu fliegen, innerhalb achtundvierzig Stunden, persönlich. Plätze werden reserviert.
    Wir überlassen es dir, diejenigen auszuwählen, die am besten für die Reise geeignet sind. Dann hast du wenigstens für einige ein Wunder vollbracht statt für niemanden. Und für mich war die Pilgerfahrt als solche schon ein Wunder, in gewisser Weise. Du wirst also sehr viel erreicht haben.«
    Er hielt den Atem an.
    »Ich muss darüber nachdenken«, sagte Aischa.
    »Ja, denk nach«, ermutigte Said sie glücklich. »Frag deinen Erzengel. Wenn er zustimmt, muss es richtig sein.«
     
    Mirza Said Akhtar wusste , dass Aischas Macht, würde sie verkünden, dass der Erzengel Gibril sein Angebot akzeptiert habe, für immer gebrochen wäre, weil die Dörfler dann ihren Betrug und auch ihre Verzweiflung erkennen würden. Doch wie konnte sie sein Angebot zurückweisen? Welche Wahl hatte sie? »Rache ist süß«, sagte er bei sich. War die Frau einmal diskreditiert, würde er Mishal auf jeden Fall nach Mekka bringen, wenn das noch ihr Wunsch war.
    Die Schmetterlinge von Titlipur waren nicht in die Moschee gekommen. Sie säumten die Außenwände und den Zwiebelturm und leuchteten grünlich in der Dunkelheit.
    Aischa in der Nacht: sie schlich durch die Schatten, legte sich nieder, erhob sich wieder zu ihrem Streifzug. Ungewissheit war um sie, dann Schwerfälligkeit, und sie schien sich in den Schatten der Moschee aufzulösen. Im Morgengrauen kehrte sie zurück.
    Nach dem Morgengebet bat sie die Pilger, sich an sie richten zu dürfen; diese willigten voll Zweifel ein.
    »Letzte Nacht sang der Engel nicht«, sagte sie. »Dagegen sprach er zu mir über den Zweifel, und wie der Teufel ihn sich zunutze macht. Ich sagte, aber sie zweifeln an mir, was kann ich tun? Er antwortete: Nur ein Beweis lässt den Zweifel verstummen.«
    Sie hatte ihre volle Aufmerksamkeit. Als nächstes sagte sie ihnen, was Mirza Said ihr in der Nacht vorgeschlagen hatte. »Er meinte, ich solle meinen Engel fragen, aber ich weiß es besser«, rief sie. »Wie könnte ich zwischen euch wählen?
    Entweder wir alle oder keiner.«
    »Warum sollten wir dir folgen«, fragte der Sarpanch, »nach all den Toten, dem Baby, nach all dem?«
    »Weil ihr gerettet seid, wenn die Wasser sich teilen. Ihr werdet in die Herrlichkeit des Allerhöchsten eintreten.«
    »Welche Wasser?« brüllte Mirza Said. »Wie teilen sie sich?«
    »Folgt mir«, schloss Aischa, »und rechtet mich nach ihrer Teilung.«
    Sein Angebot hatte eine alte Frage enthalten: Was für eine An Idee bist du? Sie wiederum hatte ihm eine alte Antwort gegeben. Ich war versucht, doch bin ich gestärkt, bin kompromisslos , absolut, rein.
     
    Es war Flut, als der Aischa-Pilgerzug eine Gasse beim Holiday Inn entlangmarschierte,

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