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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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Lächeln zurückkehrte.
    Er gestattete sich, an dieses Lächeln zu glauben, an diese strahlende Vortäuschung der Freude.
    Er versuchte, ihnen eine glückliche Zukunft zu erfinden, sie wahr werden zu lassen, indem er sie sich ausdachte und anschließend daran glaubte. Auf dem Flug nach Indien dachte er, wie glücklich er war, sie zu haben, ich bin glücklich ja das bin ich kein Wort mehr ich bin der glücklichste Kerl der Welt.
    Und: wie wunderbar es war, dass sich vor ihm die schattige Prachtstraße der Jahre erstreckte, die Aussicht, in der Gegenwart ihrer Sanftheit alt zu werden.
    Er hatte sich so abgemüht und sich fast vollständig von der Wirklichkeit dieser fadenscheinigen Illusionen überzeugt, dass er als erstes, als er innerhalb von achtundvierzig Stunden nach seiner Ankunft in Bombay mit Zeeny Vakil ins Bett ging, noch bevor sie sich liebten, ohnmächtig wurde, umkippte, weil die Botschaften, die sein Gehirn erreichten, sich so ernsthaft widersprachen, als sähe sein rechtes Auge die Welt sich nach links bewegen, während sein linkes Auge sah, wie sie nach rechts rutschte.
     
    Zeeny war die erste Inderin, mit der er jemals geschlafen hatte. Sie platzte in seine Garderobe nach der Premiere der Millionärin, mit theatralisch gestikulierenden Armen und ihrer Schotterstimme, als wäre es nicht Jahre her. Jahre. »Yaar, was für eine Enttäuschung, ich sag’s dir, ich hab’ die ganze Sache durchgestanden, nur um dich ›Goodness Gracious Me‹ wie Peter Seilers oder so singen zu hören, dachte, mal sehen, ob der Kerl gelernt hat, einen Ton richtig zu treffen, weißt du noch, wie du mit dem Squashschläger Elvis nachgemacht hast, mein Schatz, zum Totlachen, total übergeschnappt. Aber was war das hier? Im ganzen Stück kein Lied. Zum Teufel damit. Hör mal, kannst du dich nic ht von diesen Bleichgesichtern absetzen und mit uns Indern kommen? Vielleicht hast du ganz vergessen, wie das ist.«
    Er hatte sie als zaundürren Teenager mit einem schiefen Mary-Quant-Haarschnitt und einem ebenso-aber-in-die-entgegengesetzte-Richtung schiefen Lächeln in Erinnerung. Ein leichtsinniges, schlechtes Mädchen. Einmal ging sie aus schierem Spaß an der Freude in eine berüchtigte Adda, eine Spelunke an der Falkland Road, setzte sich hin, rauchte eine Zigarette und trank Cola, bis die Zuhälter, denen die Kaschemme gehörte, drohten, ihr das Gesicht zu zerschneiden, für Freiberufliche Zutritt verboten. Sie starrte sie in Grund und Boden, rauchte die Zigarette zu Ende und ging. Furchtlos.
    Möglicherweise verrückt. Jetzt, Mitte Dreißig, war sie Ärztin am Breach-Candy-Krankenhaus, kümmerte sich um die Obdachlosen der Stadt, hatte sich in dem Augenblick nach Bhopal aufgemacht, als bekannt wurde, dass eine unsichtbare amerikanische Wolke den Menschen Augen und Lungen zerfraß. Sie war Kunstkritikerin, deren Buch über den einengenden Mythos der Authentizität, diese folkloristische Zwangsjacke, die sie zu ersetzen suchte durch die Ethik eines historisch verbürgten Eklektizismus - basierte denn nicht die gesamte nationale Kultur auf dem Prinzip, sich die Gewänder auszuleihen, die am besten passten , indoiranische, mogulische, britische, die Rosinen aus dem Kuchen? -, für vorhersehbaren Stunk gesorgt hatte, insbesondere aufgrund des Titels. Sie hatte es Der einzig gute Inder genannt. »Ist ein toter Inder«, erklärte sie Chamcha, als sie ihm ein Exemplar überreichte.
    »Warum sollte es eine gute, richtige Art und Weise geben, ein Inder zu sein? Das ist Hindu-Fundamentalismus. Tatsächlich sind wir alle schlechte Inder. Manche schlechter als andere.«
    Sie stand in der Blüte ihrer Schönheit, mit langem, offenem Haar, und sie war keine Bohnenstange mehr. Fünf Stunden, nachdem sie seine Garderobe betreten hatte, lagen sie im Bett, und er fiel in Ohnmacht. Als er aufwachte, meinte sie: »Ich hab dir eine Schlaftablette ins Glas getan.« Er fand nie heraus, ob sie die Wahrheit gesagt hatte.
    Zeenat Vakil machte Saladin zu ihrem Projekt. »Zwecks Rückgewinnung«, erklärte sie. »Mensch, wir holen dich zurück«. Manchmal dachte er, sie wolle das erreichen, indem sie ihn bei lebendigem Leibe auffraß. Sie liebte wie eine Kannibalin, und er war ihr Schweinsfilet. »Hast du gewusst «, fragte er sie, » dass ein erwiesener Zusammenhang besteht zwischen der vegetarischen Lebensweise und dem Drang zum Kannibalismus?« Zeeny, die sich gerade an seinem nackten Oberschenkel gütlich tat, schüttelte den Kopf. »In

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