Die Satanischen Verse
Extremfällen«, fuhr er fort, »kann der Verzehr von zu viel Gemüse Biochemikalien im Körper freisetzen, die kannibalische Phantasien auslösen.« Sie blickte auf und lächelte ihr schiefes Lächeln. Zeeny, der schöne Vampir. »Ach, hör doch auf«, sagte sie. »Wir sind eine Nation von Vegetariern, und wie jeder weiß, ist unsere Kultur eine friedliche, mystische.«
Er seinerseits musste Vorsicht walten lassen. Als er das erste Mal ihre Brüste berührte, vergoss sie heiße, erstaunliche Tränen, die die Farbe und Konsistenz von Büffelmilch hatten.
Sie hatte ihre Mutter sterben sehen wie Geflügel, das zum Essen tranchiert wird, zuerst die linke Brust, dann die rechte, und trotzdem hatte der Krebs sich weiter ausgebreitet. Ihre Furcht davor, den gleichen Tod wie ihre Mutter sterben zu müssen, machte ihren Busen zur verbotenen Zone. Die geheime Angst der furchtlosen Zeeny. Sie hatte nie ein Kind geboren, doch ihre Augen weinten Tränen aus Milch.
Nach ihrer ersten Liebesnacht ging sie sofort auf ihn los, die Tränen waren vergessen. »Weißt du, was du bist, ich werd’s dir sagen. Ein Deserteur bist du, englischer als die Engländer, eingewickelt in deinen Angrez-Akzent wie in eine Fahne, und glaub bloß nicht, dass er so perfekt ist, er sitzt verrutscht, Baba, wie ein falscher Schnurrbart.«
»Etwas Merkwürdiges geht hier vor«, wollte er sagen, »meine Stimme«, aber er wusste nicht, wie er es ausdrücken sollte, und hielt den Mund.
»Leute wie du«, schnaubte sie verächtlich und küsste seine Schulter. »Ihr kommt nach ewig langer Zeit zurück und haltet euch für Gottweiss was . Aber, Herzchen, wir haben keine so hohe Meinung von euch.« Ihr Lächeln war strahlender als das von Pamela. »Sieh an«, sagte er zu ihr, »Zeeny, du hast noch immer dein BinacaLächeln.«
Binaca. Aus welchen Tiefen war das aufgetaucht, diese längst vergessene Zahnpastareklame? Und die Vokale, eindeutig unzuverlässig. Achtung, Chamcha, sei auf der Hut vor deinem Schatten. Dem Schwarzen Mann, der sich von hinten anschleicht.
Am zweiten Abend kam sie mit zwei Freunden im Schlepptau zum Theater, einem jungen marxistischen Filmemacher namens George Miranda, einem watschelnden Riesenkerl von Mann mit aufgekrempelten Kurta-Ärmeln, einer flatternden Weste mit uralten Flecken darauf und einem überraschend militärischen Schnurrbart mit gezwirbelten Spitzen; und mit Bhupen Ghandi, einem Dichter und Journalisten, der frühzeitig ergraut war, dessen Gesicht jedoch unschuldig wie das eines Babys war, bis er sein hinterhältiges, kicherndes Lachen ausstieß. »Komm schon, Salad Baba«, verkündete Zeeny. »Wir zeigen dir die Stadt.« Sie wandte sich zu ihren Freunden.
»Diese Asiaten aus dem Ausland schämen sich für gar nichts.
Saladin, wie ein verdammter Salatkopf, ich bitte dich.«
»Vor ein paar Tagen war eine Fernsehreporterin hier«, sagte George Miranda. »Mit grellrosa Haaren. Sie sagte, sie heiße Kerleeda. Ich wurde nicht schlau aus ihr.«
»Hört euch das an, George ist zu weltfremd«, unterbrach Zeeny. »Er hat keine Ahnung, in was für Monster ihr Typen euch verwandelt. Diese Miss Singh, ungeheuerlich. Ich hab’s ihr gesagt, Khalida heißt es, Herzchen, reimt sich auf Dalda, das ist was zum Kochen. Aber sie brachte es nicht heraus. Ihren eigenen Namen. Ihr habt einfach keine Kultur mehr, fühlt euch nur noch als Ausländer. Stimmt’s oder stimmt’s nicht?« fügte sie hinzu, plötzlich fröhlich und rundäugig, weil sie fürchtete, zu weit gegangen zu sein. » Lass ihn in Ruhe, Zeenat«, sagte Bhupen Ghandi ruhig. Und George murmelte verlegen: »Nichts für ungut, Mann. Sollte nur ein Witz sein.«
Chamcha beschloss , zu grinsen und dann zurückzuschlagen.
»Zeeny«, sagte er, »die Welt ist voll von Indern, du weißt, wir kommen überall hin, wir werden Kesselflicker in Australien, und unsere Köpfe enden in Idi Amins Kühlschrank. Vielleicht hatte Kolumbus Recht ; die Welt besteht aus lauter I ndien, Ost West Nord. Verdammt noch mal, du solltest stolz auf uns sein, auf unseren Unternehmungsgeist, darauf, wie wir Grenzen überschreiten. Nur, dass wir keine Inder sind wie du. Am besten, du gewöhnst dich an uns. Wie heißt das Buch, das du geschrieben hast?«
»Hört euch das an«, sagte Zeeny und hakte sich bei ihm unter. »Hört euch meinen Salad an. Plötzlich will er ein Inder sein, nachdem er sein Leben lang versucht hat, ein Weißer zu werden. Noch ist nicht alles verloren. Etwas ist da noch
Weitere Kostenlose Bücher